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die zwar einer politischen Organisation entbehren — höchstens treten sie 
als ‘Corpus evungelicorum auf den Reichstagen in religiösen Fragen hervor —, 
aber doch den Keim des neuen protestantischen Kaisertums bilden. 
— Während daher das romanische Papsttum und das katholische 
Kaisertum, die Italien und Spanien in den Kampf gegen die Germanen 
führen, nicht sowohl Deutschland als den Protestantismus bekämpfen, 
sieht das katholische Frankreich wie im Mittelalter Deutschland im deut¬ 
schen Kaisertum und setzt seinen alten Kampf gegen dieses um so mehr 
fort, als es sich durch dessen Verbindung mit Spanien und den Nieder¬ 
landen von drei Seiten umfafst und bedroht sieht. — Dieser Zwiespalt 
unter den romanischen Mächten kam ihren Gegnern in hohem Grade zu 
statten. Denn nicht nur war das Kaisertum durch den Kampf mit Frank¬ 
reich (1520—1544) an der gewaltsamen Unterdrückung des Protestantismus in 
seinen Anfängen gehindert: als es nach 1544 endlich in den lauge hinaus¬ 
geschobenen Kampf gegen den Protestantismus eintritt, findet auch zwischen 
Frankreich und den Protestanten ein Bündnis statt, das diesen ebenso 1552 den 
Passauer Vertrag, d. h. auch den Augsburger Religionsfrieden von 
1555 einbringt wie 1648 den Westfälischen Frieden, der den Sieg des 
Protestantismus besiegelt und die erste Periode des Kampfes beendet. 
§ 3. 
Unmittelbar nachdem der Angriff des Katholieismus zurückgewiesen, be¬ 
ginnen die Kämpfe mit Frankreich, die erst nach mehr als 200jähriger Dauer 
im Jahre 1870 einen vermutlich endgültigen Abschlufs finden. 
Frankreich ist es, dem vorzugsweise die Früchte der bisherigen Kämpfe zu¬ 
gefallen sind und das durch die Siege über den Kaiser zu einer aufserordent- 
lichen Machtstellung gelangt ist. Indem es aber jetzt den Kampf gegen 
Kaiser und das ganze Reich erneuert, findet es die Protestanten 
auf Seiten des katholischen Kaisertums, und gerade die Kämpfe mit 
Frankreich (Raubkriege und spanischer Erbfolgekrieg) lassen die Vormacht 
des Protestantismus, den brandenburg-preufsischen Staat, dem Kaisertum des 
Hauses Österreich gegenüber, an Bedeutung und Macht so steigen, dafs der 
Gegensatz der protestantisch - germanischen und der katholisch - romanischen 
Weltanschauung, der in Brandenburg-Preufsen und Österreich vorliegt, alsbald 
in Deutschland selbst zum Austrag kommen mufs: Friedrichs d. Gr. Siege 
stellen das protestantische Preufsen gleichberechtigt neben das katho¬ 
lische Kaise rtum und führen es in die Reihe der europäischen Grofsmächte 
ein. — Nichtsdestoweniger stehen die beiden deutschen Gegner wieder Schulter an 
•Schulter, als Frankreich mit erhöhter Gewalt sich aufs neue auf Deutschland 
wirft; aber wiederum trägt dieser Kampf nur dazu bei, Preufsens Stellung in 
Deutschland Österreich gegenüber so zu heben, dafs 100 Jahre nach dem 
ersten Kampfe ein zweiter zwischen beiden Staaten entscheiden mufs, wer von 
ihnen die Führung Deutschlands besitzen soll. Der Krieg des Jahres 1866 
giebt den Sieg den preufsischen Fahnen und schliefst den Einflufs Österreichs 
auf Deutschland aus: das protestantische Nord-Deutschland unter Preufsens 
Leitung ist nunmehr stark genug, für ganz Deutschland den Entscheidungskampf 
mit Frankreich zu wagen, das nach seinen Niederlagen in den Jahren 
1813 15 bei der Eifersucht Österreichs auf Preufsen und der dadui’ch ver- 
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