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Heinrich IV und Gregor VII.
diesen begann der Kampf, wer der vornehmste unter ihnen und der
Herr der gesamten Christenheit sein sollte. Dem Bischose von dem
weltbeherrschenden Rom gelang es, den Sieg in diesem Streite zu er¬
ringen. Die Sage, daß der Apostel Petrus der Stifter der römischen
Gemeinde nrtd der erste Bischof daselbst gewesen sei, erleichterte ihm
sein stolzes Streben. Und als endlich die Apostel der Deutschen, vor¬
nehmlich Bonisaeius, mit dem Christentnme zugleich des Papstes An¬
sehen in Deutschland predigten, und Pipiit, der Frankenkönig, und
Karl der Große durch Schenkungen weltlicher Besitztümer den Grund
zum Kirchenstaate legten, da war die Herrschaft der Päpste über die
abendländische Christenheit begründet und eine lange schmachvolle Zeit
für unser deutsches Vaterland herbeigerufen. Mochten auch nachher
ein ganzes Jahrhundert hindurch die unwürdigsten, ja sogar ruchlosesten
Brenschen auf dem Stuhle des Apostels Petrus fitzen, einst sogar ein
12jähriger Knabe der Stellvertreter Christi heißen, und später zu gleicher
Zeit drei für Geld erwählte Päpste den heiligen Stuhl entweihen —
das Ansehen der päpstlichen Würde war nicht mehr zu vernichten. Dazu
kam noch, daß auch eine Reihe solcher Päpste regierte, die mit Klugheit
und eisernem Willen die Herrschaft über Könige und Kaiser und über
alle Länder der Christenheit zu erhalten strebten; die da lehrten, was
Gott im Himmel sei, das seien sie ans Erden, und sie allein hätten das
Recht, den Fürsten die Kronen zu geben und zu nehmen. Einer der
ersten war Gregor VII, der Sohn eines Schmiedes, der von 1073 bis
1085 die päpstliche Macht zum höchsten Gipfel führte. Er lehrte öffent¬
lich, er sei der sichtbare Stellvertreter Gottes aus Erden; er habe Macht,
den Königen ihr Reich zu nehmen und anderen es zu geben; er sei der
Richter über alle Menschen, aber er selbst stehe nur unter Gott. Er
sagte weiter, gleich wie es am Himmel zwei große Lichter gäbe, die
Sonne und den Mond, so habe auch die Christenheit zwei große Be¬
herrscher, den Papst und den Kaiser. Aber der Papst sei die Sonne;
und so wie der Moud kein Licht habe von sich selber, so habe auch der
Kaiser keine Gewalt, wenn sie ihm nicht vorher vom Papste verliehen
worden sei. An alle Höfe Europas gingen feine Gesandten mit stolzen
Briefen, in denen er Unterwerfung und Gehorsam forderte. Er war es,
der den Fürsten das Recht der Investitur entriß (d. h. die Ernennung
und die Belehnung der Bischöfe mit den Ämtern), und der mit aller
Strenge die Ehelosigkeit der Geistlichen einführte, um diese einzig und
allein an den päpstlichen Willen zu fesseln.
Zu dieser Zeit regierte in Deutschland Heinrich IV, der schon als