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Nicht lange darnach gerieth Constantin mit Licinius in Streit.
Beide Männer strebten nach der Alleinherrschaft in dem großen römischen
Reiche und wohl mochten die Christen mit gespannter Erwartung dem
Ende des Kampfes zwischen ihnen entgegen sehen; denn Licinius war
an der Sache des Herrn zum Verräther geworden — er hatte sich dem
Heidenthume wieder zugewandt. Als er sich zur entscheidenden Schlacht
rüstete, sprach er, auf seine Götzenbilder zeigend: „Hier stehen unsere
Götter, deren Verehrung wir von unsern Vätern empfangen haben.
Unser Widersacher aber, von den vaterländischen Heiligtümern frevelnd
abgefallen, verehrt einen fremden Gott und beschimpft sein Heer durch
dessen schmachvolles Zeichen. Der Ausgang des Krieges muß zwischen
seinem Golt und unsern Göttern entscheiden. Wenn der fremde Gott
siegt, so müssen wir uns von unsern Göttern lossagen; siegen aber unsere
Götter, wie wir nicht zweifeln, so wenden wir uns nach diesem Siege
gegen ihre Feinde." Constantin vertraute der Macht des unsichtbaren,
höchsten Gottes und sein Vertrauen wurde nicht zu Schanden. Die
Kreuzesfahne blieb überall siegreich und Constantin ging als Allein¬
herrscher des großen römischen Reiches, das sich von der Straße
von Gibraltar bis zum Euphrat und von den schottischen Alpen bis zu
den Wüsten Afrikas erstreckte, aus dem Kampfe hervor (323). Von nun
an fand die Kirche an ihm einen mächtigen Beschützer. Cr gab den
Christen das geraubte Eigenthum zurück, ließ überall Kirchen erbauen,
führte die Sonntagsfeier ein, stellte Lebrer an und besoldete sie reichlich,
ließ die heilige Schrift fünfzig mal auf Pergament abschreiben und ver¬
sandte die kostbaren Rollen an fünfzig verschiedene Kirchen. Auf Ver¬
anlassung seiner frommen Mutter Helena ließ er über dein Grabe des
Herrn die herrliche, später von ganzen Schaaren von Wallfahrern be¬
suchte Kirche „zum heiligen Grabe" erbauen.
Constantin starb in dem nach ihm benannten Constantinopel (früher
Byzanz), wohin er seine Residenz verlegt hatte, im Jahre 337, nachdem
er kurz vor seinem Tode die heilige Taufe empfangen hatte. Von dem
Tage an, an welchem die heilige Handlung an ihm vollzogen wurde,
wollte er den kaiserlichen Purpurmantel nicht mehr tragen, sondern be¬
hielt die weißen Tauskleider an. Sein Gedächtniß wird in der christ¬
lichen Kirche nicht verlöschen.
Constantin's Sohn, Constantius, der bis 361 regierte, ließ die
Götzentempel schließen und verbot bei Todesstrafe alle Götzenopfer. Sein
Nachfolger aber, Julian der Abtrünnige, versuchte es noch einmal,
das Heidenthum vor dem drohenden Untergange zu retten. Julian war
ein Neffe Constantin's des Großen und mit den vorzüglichsten Herrscher¬
talenten ausgerüstet; aber er war zugleich ein arger Feind des Christen¬
thums, das er sofort nach seiner Thronbesteigung auf alle Weise zu be¬
kämpfen suchte, wenn auch nicht mit dem Schwerte — dazu war er zu
klug. Den Heiden gab er die verlorenen Rechte und Tempel zurück