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a) Die dorische Säule ist ohne Fuß (Basis), der starke, nach oben
mäßig abnehmende Säulenschaft hat Kannelüren oder Hohlkehlen, d. h.
vertikale Rinnen; der Knaus (das Kapitäl, b. capitellum) besteht aus dem
rundlichen (Schmus und dem viereckigen Akmkus; darüber lagert der Haupt-
balken (der Architrav), der seinerseits den Fries (oder Abschlußstreifen) trägt,
bestehend aus den Triglhphen (Dreischlitzen) und den Metopen (Zwischenplatten),
die oft mit Reliefs (erhabenen Bildwerken) geschmückt sind. Das Dach ist ein
sanft geneigter Giebel, dessen Vorder- und Rückseite (die Giebelfelder) eben¬
falls mit Darstellungen aus der Götter- und Heroengeschichte ausgefüllt sind.
Beispiele: Die Tempel von Pästum (in Unteritalien) und von Akragas (auf
©teilten); in Athen der sog. Theseustempel; dann aus der Perikleischen Zeit: der
Parthenon, erbaut von Jktlnns (30 m breit, 70 m lang, 20 m hoch; die Höhe der
Säulen (10 m) beträgt 5 '/a untere Säulendurchmesser 1), sodann die von Mnesikles
erbauten Propyläen (Torgebäude); vgl. die von König Ludwig I. erbaute Nach-
bildung der Propyläen in München, sowie die Walhalla bei Regensburg.
b) Die jonische Säule ruht auf einer runden Basis, der Schaft ist
schlank (die Höhe beträgt gewöhnlich 8 bis 9 untere Durchmesser), die
Kannelüren sind tiefer gefurcht. Eine Perlenschnur (Astragalon) verknüpft
den Schaft der Säule mit dem Kapitäl, auf den Echinus mit dem Eierstab
solgt ein in Voluten oder Schnecken auslausendes polsterartiges Tragglied.
Der Architrav ist in drei Streifen gegliedert, der Fries ohne Triglyphen
mit fortlaufenden Bildwerken geschmückt.
Beispiele: Das Erechtheion, ein überaus zierlicher Tempel der Athene Polias
und des Poseidon-Erechtheus auf der Akropolis mit der schönen Karyatidenhalle, wo
die Säulen durch die Figuren athenischer Festjungfrauen ersetzt sind; ferner das
Tempelchen der Nike Aptöros, der ungeflügelten Siegesgöttin, auf einem Vorsprunge
der südwestlichen Burgmauer von Athen. (Von heutigen Bauten vgl. die Glyptothek
in München.)
c) Die korinthische Säule hat einen Blumenkelch als Kapitäl,
bestehend aus mehreren Akanthus- (Bärenklau-) Blättern.
Diese Säulenordnung kam erst später auf (Beispiel: das choragische Denkmal
des Lysikrätes in Athen, ein schlanker Rundbau, errichtet im 4. Jahrh. v. Chr. zur
Aufstellung eines in einem musischen Wettkampfe errungenen Dreifußes) und wurde
wegen der größeren Pracht von den Römern und den Neueren bevorzugt.
Der dorische Baustil entspricht in seiner Einfachheit und gedrungenen Kraft
dem dorischen Wesen, während der jonische Stil in seinem leichteren Aufbau und
seiner heiteren Grazie den Charakter der Jomer widerspiegelt; doch sind die beiden
Stilgattuugeu nicht auf das Gebiet der Stämme, nach betten sie benannt sind,
beschränkt.
1 Der Tempel stand bis 1687 im ganzen unversehrt; in diesem Jahre aber
wurde er bei einer Beschießung des türkischen Athens durch die Veuetianer zerstört.