196 Kap. 27. § 145. Rittertum unter den fränkischen Kaisern.
schaft Hohenzollern entstanden; — Barern, von dem sich Österreich,
Kärnten, Steiermark, Tirol gelöst hatte, wuchs als Erzherzogtum der
Wittelsbacher wieder an durch die Länder der rheinischen Pfalzgrafen
1227 und teilte sich 1255 in Ober- und Niederbaiern, wovon Ober-
baiern die rheinische Pfalz, die Kurwürde und das Reichsvikariat
hatte; — Sachsen ward 1180 in der 124 angegebenen Art zerstückelt; —
von dem zersplitterten Schwaben waren Württemberg und Baden die
Hauptüberreste; Lothringen war durch Teilung in Verfall geraten und die
zu Niederlothringen gehörige Grafschaft Flandern huldigte 1196 dem
Könige von Frankreich; das Herzogtum Brabant und die Grafschaften
Limburg, Hennegau, Namur, Holland, Geldern, Jülich, Cleve,
Berg und die Bistümer Lüttich und Utrecht wurden unabhängig; die
Städte Köln und Aachen waren Reichsstädte geworden; — Böhmen, zu
welchem damals noch Mähren und die Oberlausitz gehörten, war (durch
Philipp von Schwaben) aus einem Herzogtum zu einem Königreich
(1198) erhoben worden, blieb aber Bestandteil des deutschen Reichs. — Jeder
Volksstamm hatte zwei Farben im Schild: die Franken weiß und rot, die
Schwaben rot und gelb, die Baiern weiß und blau, die Sachsen schwarz
und weiß. Zur Reichsfahne nahm man von den Sachsen das Schwarz,
von den Franken das Rot, von den Schwaben das Gold (gelb).
145. Das Kitlerivesen. Eine andere dem Mittelalter eigentüm¬
liche, sittlich und politisch wichtige Einrichtung, durch welche wenigstens die
Glieder der höheren Klasse des Lehnsstaates einander näher kamen,
war das Rittertum. Weil nämlich seit Heinrich I der Reiterdienst
vorherrschend wurde, der mehr Übung verlangte und größere Kosten verur¬
sachte, so zogen sich die ärmeren Freien auf dem Lande vom Heerbann
zurück, überließen dem Adel die Ehre des Dienstes, zogen unter seiner
Fahne oder gaben ihren Geldbeitrag zu den Kriegskosten, den sogenannten
Heerschilling. Dadurch verloren sie aber auch allmählich jenes Bewußt¬
sein der Freiheit und Kraft, das in dem Adel und in den
Bürgern der Städte sich erhielt.
Wer ein größeres Freigut oder ein größeres Lehnsgut hatte, so daß er den
ordentlichen Heerdienst zu Roß leisten konnte, gehörte zum Stande der
Kitter, denen seit der Sonderung des Adels- und Bürgerstandes in dm
Städten nur die Glieder der patrizischen Geschlechter ebenbürtig geachtet wurden.
Eine vorzügliche Bildungsschule des Ritters waren die Turniere, d.i.
die Waffenspiele, zu denen nur zugelassen wurde, wer ritterbürtig
war und als solcher die Waffenführung kunstgerecht verstand, dabei
eine bestimmte Anzahl von Ahnen nachweisen konnte und einen christ¬
lich-sittlichen Wandel führte. Es bestanden eigene Turnierge -
setze, an die sich die Kämpfer und Kampfrichter streng halten mußten.
Turniervögte, Wappenkönige, Herolde und Grieswär-
tel hatten dabei, jeder in feiner Weise, zur Aufrechterhaltung der Ord¬
nung und Verhütung von Unglück mitzuwirken.
Der Waffendienst und die Rittersitte erforderten lange und sorg¬
fältige Vorübuug, zu deren Behuf der junge Adelige, wenn er den Frauen¬
händen entwachsen war, zwei Stufen durchmachen mußte, ehe er die dritte
Stufe, die Ritt er würde, als das Ziel seines ganzen Strebens, er-