Full text: Die deutsche Geschichte in ihren wesentlichen Grundzügen und in einem übersichtlichen Zusammenhang

Kap. 56. § 318. Aufmarsch der Heere. 552 
Noch an dem Tage der Kriegserklärung erneuerte König Wilhelm den Orden des 
eisernen Kreuzes für das gesamte deutsche Heer. 
Der Anfang des Krieges. Schon auf die Kunde von der Ein¬ 
berufung der französischen Reserven und Gramonts Rede im Senat 
(15. Juli), der die Abweisung des französischen Gesandten in Ems für 
einen Frankreich angetanen Schimpf erklärte, der nur mit Blut abge¬ 
waschen werden könne, war deutscherseits mit der Anordnung der Mobili- 
sirung des gesamten norddeutschen Heereskörpers geantwortet. 
Aufs neue, wie schon 1866, bewährte sich die Vortrefflichkeit der von dem preußi¬ 
schen Kriegsminister von Roon ins Leben gerufenen Wehrverfassung und Heeres¬ 
organisation, die seit 1866 auf alle Staaten des norddeutschen Bundes übertragen war 
und nach und nach auch in Süddeutschland Eingang gefunden hatte. Nach kaum 11 
Tagen war die Mobilmachung vollendet und der strategische Aufmarsch der drei 
Armeen begonnen, die sich auf der Operationsbasis Koblenz (I Armee als rechter 
Flügel unter General von Steinmetz mit 61,000 Mann), Mainz (II Armee als 
Centrum unter Prinz Friedrich Karl mit 206,000 Mann), Mannheim (III Armee 
als linker Flügel unter dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm mit 180,000 Mann) 
concentrirten. 
Die Oberleitung der vereinigten deutschen Heere, die sich mit ihren 
Spitzen in einer Front von Trier bis Landau der französischen Grenze 
näherten, übernahm vom Tage seiner Ankunft in Mainz an (2. August) 
König Wilhelm selbst. Ihm stand als Chef des großen Generalstabes 
der schon vorher als bedeutender Stratege bewährte Graf von Moltke 
zur Seite, dessen geniale Schlachtpläne, von einer Reihe vorzüglicher Ge¬ 
nerale im Verein mit dem Heldenmut und der Ausdauer der deutschen 
Heere ausgeführt, in der Kriegsgeschichte beispiellos dastehende Erfolge er¬ 
zielten. 
Die unvergleichliche Schnelligkeit und Umsicht, mit der die 
Mobilmachung jener immensen Streitkräfte und der Aufmarsch der drei 
deutschen Hauptarmeen erfolgt war, überholte binnen 14 Tagen die lange 
vorbereiteten französischen Rüstungen, so daß sich der Kaiser Napoleon ge¬ 
zwungen sah, wiewohl derselbe bis Ende Juli den Vorteil der numerischen 
Überlegenheit und der Concentration der Eisenbahnen für sich hatte, von 
der anfänglich beabsichtigten Offensive abzugehn und damit auf alle die 
Vorteile, die mit dem Eröffnen eines raschen Angriffs verbunden waren, 
zu verzichten; er sah sich in die Defensive zurückgedrängt. 
Der strategische Aufmarsch der in 8 Corps geteilten französischen Armee fand in 
folgender Ordnung statt: das VII Corps unter Felix Douay stand südlich von 
Straßburg im oberen Elsaß, sich an die Festung Belfort anlehnend. Es bildete den 
rechten Flügel zusammen mit dem I Corps unter Mac Mahon, dem Sieger von 
Magenta, der seine Truppen über das untere Elsaß verbreitet hatte. An Mac 
Mähens linken Flügel lehnte sich das V Corps unter de Failly („dem Helden von 
Mentana") mit dem Hauptquartier Bitsch. Sein linker Flügel schloß sich an das 
II Corps unter Frossard, welches die Umgegend von Saarbrücken besetzt hielt. 
Das III Corps unter Bazaine hatte Metz zur Operationsbasis. V, II und III 
Corps bildeten das Centrum. Das VI Corps unter Ladmirault bildete den linken 
Flügel und stützte sich auf Diedenhofen. Eine Reservearmee (das IV Corps) wurde 
erst später unter Canrobert um Chalons zusammengezogen, zu welcher das unter Bour- 
baki bei Nancy stehende Gardecorps stoßen sollte. Die Oberleitung hatte der Kaiser 
selbst übernommen und sich am 28. Juli in das Hauptquartier des III Corps (unter 
Bazaine) nach Metz begeben. Sein Generalstabschef (major-general) war Le Poeuf, 
der, wie er als Kriegsminister wenig organisatorisches Talent gezeigt, bei der Durch¬ 
führung seiner jetzigen noch größeren Aufgabe, der strategischen Oberleitung einer 
großen Armee, sich noch viel weniger bewährte.
	        
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