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einen den Verräther Judä zum Spott gemachten Gesang2) her, biß es wieder begnnte
Nacht zu werden. Den letzten Abend in der Fasten richteten die Bürger etwas
besser zu, als die vorige Zeit über, sie bucken Kuchen, kocheten Schincken, geräuchert
und eingesaltzen Fleisch, sotten Eyer und dergleichen, doch wäre es eine grosse
Sünde gewesen, wo sie sich eher dran vergriffen hätten, als es ihnen die Pfaffen
gesegnet. Denn es pflegeten derer jedesmahl zwey durch der Bürger Häuser zu
lauffen und die Speisen erst mit Weywasser zu besprengen, nur um dadurch etwas
von Gelde oder von Victualien an sich zu bringen. Die Oster-Nacht brachte man
meists in der Kirchen mit allerhand Devotionen zu, nach deren Endigung kam ein
Pfaffe in Gestalt des aufferstandenen Heylandes an die Kirch-Thüren, schlug mit
einen Creutz gantz ungeftum an die selbigen und verlangete eingelassen zu werden.
Worauff sich in der Kirche ein greuliches Geschrey und Geheule erhub, gleich als
ob es die Hölle und in derselben lauter Teuffel wären, welche sich für der Ankunfft
Christi, als der nunmehro ihr Reich zerstören würde, also fürchteten, biß endlich
unter solchen Tumult die Kirchthüre auffgieng, und der eindringende Sieges-Fürst
etzliche von den Pforten verjagete, etzliche aber in Fesseln schlug, welche dann greßlich
schrien, dahingegen die aus der Höllen Gewalt erlöseten Seelen ihren in weissen
Kleide prangenden und auffahrenden Erlöser mit Freuden nachfolgeten."
In wie hohem Ansehen solche volkstümlich-kirchlichen Spiele standen, beweist die Tat¬
sache, daß noch 1513 Herzog Georg ein Kapital von 2000 Gulden stiftete, dessen Zinsen für
derartige Aufführungen verwandt werden sollten.
Zuweilen arteten die Volksbelustigungen bei solcher Gelegenheit leicht aus.
„So hatten die Junggesellen eine Gewohnheit, daß sie zu solcher Zeit ver-
larvet einen Pflug durch alle Gassen herumschleppten, und wo ihnen eine Jungfrau
und ledige Weibs-Person aufstieß, dieselbige zur Strafe, daß sie so lange ungefreit
geblieben, am Pflug zu ziehen zwangen. Nachdem aber darüber im Jahre 1499
eilt Mord geschehen, indem eine Magd aus Furcht und Ungeduld einen solchen
Mummet, welcher sie zum Pflug zwingen wollte, mit einem Brotmesser erstochen,
ist dieser Fastnachtsaufzug in der Folge abgestellt worden."
(Sparfeld, Chronik v. L. S. 88.)
2) Dieser Gesang lautete (nach Buchwald, Resonnationsgesch. d. Stadt Leipzig):
„O du armer Judas, was hast du getan,
daß du unsern Herrn also verraten hast!
Darum mußt du leiden höllische Pein,
Lucifers Geselle mußt du ewig sein.
Kyrieleison, Christeleison, Kyrieleison." —
9. Fronleichnamsfest.
„Am Fronleichnamsfeste, welches alle Zeit am Donnerstag nach dem Trini¬
tatisfeste im Papstthume festlich begangen wird, kamen früh, bald nach Aufgang der
Sonne, alle Einwohner der Stadt Leipzig, geistliche und weltliche, Mann und Weib,
jung und alt, auf dem Thomaskirchhofe zusammen, und gingen von da aus, in einer
gewissen Ordnung, mit allerhand Saitenfpiel, Gesang und Klang, durch alle Gassen.
Boran gingen die Schulmeister mit ihren Schülern, welche alle weiße Hemden
anhatten, und aufs Beste geputzt waren1). Diesen folgten die Franciscaner-
und Dominicanermönche, ingleichen die Priester und Pfaffen, je Paar und
Paar, alle in weißen Chorröcken. Darnach wurden die Kirchfachen und viele ge¬
mahlte lange Stangen, auf welcher jeder ein sonderlicher Heiliger geschnitzt stand, je eine
nach der andern getragen. Dann kamen die Stadtpfeifer, Geiger und andere Musi-
') Vgl. S. 127.