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wiesen den mit den armen Leuten pacta machenden und mit den Menschen buhlen¬
den, auch mit den Hexen Elben zeugenden und sie durch die Luft auf den Blockers¬
berg führenden Teufel überflüssig, und könnte kein vernünftiger Mensch an der
Wahrheit dieses Vorgebens zweifeln. Warum? Ich hatte es so gehöret und ge¬
lesen und der Sache nicht ferner nachgedacht, auch keine große Gelegenheit gehabt,
der Sache weiter nachzudenken. Dieses waren die ersten Hexenakten, die mir Zeit¬
lebens waren unter die Hände gekommen, und also excerpirte ich dieselben mit
desto größerem Fleiß und Attention."
(Folgt ein Auszug aus den Prozeßakten).
„Nachdem ich den bisher erzählten Extrakt ex actis ad referendum ver¬
fertigt, bemühte ich mich zu Ueberlegung und Abfassung meines voti, des Carpzovii
criminalia, ingleichen den Malleum maleficarum, Torreblancam, Bodinum, Delrio,
und was ich für Autores de magia mehr in meiner wenigen Bibliothek antraf, zu
consuliren , und da fiel nun freilich nach dieser Männer ihren Lehren der Aus-
schlag dahin, daß die Jnqitisttin, wo nicht mit der Schärfe, doch zum wenigsten
mit mäßiger Pein wegen der beschuldigten Hexerei anzugreifen wäre. Und dachte
ich dannenhero mit diesem meinem voto in der Fakultät Ehre einzulegen. Aber
meine Herren Collegen waren ganz anderer Meinung, und mußte ich dannenhero
das Conclusum Facultatis auf folgende Art entwerfen:
"Daß wider Barbaren Labarentzin in Ermangelung anderer Indizien ferner
nichtS vorzunehmen, sondern sie ist nnnmehro nach geleisteten Urpheden der gefäng¬
lichen Hast zu erlassen, jedoch seynd diese Acta wohl zu verwahren, und ist auf ihr
Leben und Wandel fleißig Acht zu geben. Sie ist auch die auf diesen Prozeß
ergangenen Unkosten nach vorhergegangener Liquidation und richterlicher Ermäßi¬
gung zu erstatten schuldig. V. R. W.
«Nun verdrösse es mich aber nicht wenig, daß bei diesem ersten mir unter
tue Hände gerathenen Hexenproxeß mein votum nicht hatte wollen attendiret werden *
aber dieser Verdruß war nicht sowohl gegen den damaligen Herrn Ordinarium
und meine übrigen Herren Collegen, als wider mich selbst gerichtet. Denn da ich
allbereit m der Ausarbeitung meiner deutschen Logik gelehret hatte, daß ein weiser
Mann die beiden Haupt-Präjudieia menschlicher Auctorität und der Uebereilnng
inetben müßte, verdroß es mich auf mich selbst, daß mein votum auf nichts als
Me Auctorität obiger, und zwar offenbar größtenteils parteiischer, unvernünftiger
Männer und auf deren übereilte und unzulängliche rationes sich gründete, für-
nehmlich daraus, daß die justifizirte Hexe es der Jnquisitin in die Augen gesagt,
pafe sie von ihr hexen lernen und umgetauft worden, auch bei ihrer Aussage bis in
beständig verharret wäre. Ja, es verdroß mich noch mehr auf mich,
i u ^ rationes contrarias meiner Herren Collegen nur hörte,
alsbald von deren Wichtigkeit convinciret wurde und nichts darauf antworten
konnte.
(9lu3 Soldan's Geschichte der Hexenprozesse, bearb. v. Dr. Heinrich Heppe, 1880, Bd. II
S. 246 u. 47.)
7. Aus Tho masius Kampfschriften gegen den Aberglauben
und die Hexenprozesse.
_ ^ Schriften versucht Thomasius die von den Juristen - vornehmlich Carpzov
f l -4, ■*? ^-^ologen für die Existenz der Zauberei vorgebrachten Gründe auf Grund einer
2eSS fnaihftrro un> philosophischen Bildung zu widerlegen. Wenn
so tärLl N noch stark m den Feffeln des Aberglaubens seiner Zeit gebunden ist,
io bedeutet doch das Leugnen der für das gesamte Hexemvesen fundamentalsten Lehr- und