Full text: Weltbürgertum und Staatsgefühl (H. 68)

2 Weltbürgertum — Humanität 
bringt, um unsern willen und unsere Wirksamkeit, insofern sie von 
unserm willen abhängt, denselben gleichförmig zu machen. 
Außer dieser Subordination herrscht unter allen Kosmopoliten eine 
so vollkommene Gleichheit, als mit ihrer individuellen Verschiedenheit 
nur immer bestehen kann. Ihre Vollmacht und Instruktion erhalten sie 
aus den Händen der Natur. (Es gibt keine andern Grade unter ihnen 
als die Stufen ihrer Tauglichkeit und innern moralischen Gute. . . . 
Unter welcher Staatsverfassung ein Kosmopolit leben mag — es 
sei nun, daß er hierin bloß von der Notwendigkeit oder durch seine 
eigene Wahl bestimmt worden sei —, so lebt er immer als ein 
guter und ruhiger Bürger. Die Grundsätze und Gesinnungen, die ihn 
zum Weltbürger machen, sind auch die Grundlage seines Wohlwollens 
gegen die besondere staatsbürgerliche Gesellschaft, deren Mitglied er 
ist- aber sie sind es auch, was den Wirkungen dieses Wohlwollens 
Schranken setzt. 
was man in den alten griechischen Republiken und bei den stolzen 
Bürgern jener Stadt, die zur Herrschaft über die Welt gestiftet zu sein 
glaubte, Vaterlandsliebe nannte, ist eine mit den kosmopolitischen 
Grundbegriffen, Gesinnungen und pflichten unverträgliche Leiden¬ 
schaft. Kein Römer konnte ein Kosmopolit, kein Kosmopolit ein Rö¬ 
mer sein. . . . 
Oer Kosmopolit befolgt alle Gesetze des Staats, worin er lebt, deren 
Weisheit, Gerechtigkeit und Gemeinnützigkeit offenkundig ist, als Welt¬ 
bürger und unterwirft sich den übrigen aus Notwendigkeit. Er meint 
es wohl mit seiner Nation; aber er meint es ebenso wohl mit allen 
anderen und ist unfähig, den Wohlstand, den Ruhm, die Größe seines 
Vaterlandes aus absichtliche Übervorteilung und Unterdrückung anderer 
Staaten gründen zu wollen. 
Die Kosmopoliten lassen sich daher niemals in besondere Verbin¬ 
dungen ein, die mit der Ausübung dieser Gesinnungen unverträglich 
wären. Sie entziehen sich aller Teilnehmung an einer Staatsverwal¬ 
tung, wobei ihnen die entgegengesetzten Maximen als Grundregeln vor¬ 
geschrieben würden. . . . 
5. Über Humanität (Herber).1 
Betrachten wir die Menschheit, wie wir sie kennen, nach den Ge¬ 
setzen, die in ihr liegen: so kennen wir nichts Höheres, als Humanität 
im Menschen: denn selbst wenn wir uns (Engel oder Götter denken, 
denken wir sie uns als idealische, höhere Menschen. 
Zu diesem offenbaren Zweck, sahen wir, ist unsre Natur organisiert; 
zu ihm sind unsre feineren Sinne und Triebe, unsre Vernunft und Frei¬ 
heit, unsre zarte und dauernde Gesundheit, unsre Sprache, Kunst und 
Religion uns gegeben. 3n allen Zuständen und Gesellschaften hat der 
1 Aus Johann Gottfried Herber, 3been zur Philosophie bet Geschichte ber 
Menschheit. Hartknoch, Riga und Leipzig 1790. Teil III S. 387, 457.
	        
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