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Der König Chlodwig aber haßte die Christen, weil er dem alten Hei¬
denthum treu bleiben wollte; darum zerstörte er viele Kirchen. Einstmals
hatten seine Franken aus einer Kirche nebst andern kostbaren Gegenständen
einen Krug von wunderbarer Größe und Schönheit geraubt. Der Bischof
dieser Kirche sandte daraus einen Boten an den König und ließ ihn bitten,
daß, wenn er auch alles Andere behielte, seiner Kirche nur der Krug zu¬
rückgegeben werden möchte. Der König erwiederte dem Boten: „Folg'
uns nach Soissons, denn dort soll die ganze Beute vertheilt werden.
Wenn mir das Loos den Krug zuspricht, so soll er deinem Bischof wieder
zugestellt werden." Als nun in Soissons alle Beute auf einem Haufen
zusammengebracht war, sprach der König: „Ich bitte euch, meine tapferen
Kämpfer, daß ihr mir außer dem mir zukommenden Antheile auch noch
jenen Krug abtretet." Darauf erwiederten Einige: „Ruhmvoller König,
was du erblickst, ist dein. Nimm dir heraus, was du willst; denn es ist
vergeblich, sich deiner Macht zu widersetzen." Als diese so sprachen, erhob
aber ein anderer Franke seine Stimme und sprach: „Du sollst nichts be¬
kommen, als was dir das Loos zuspricht!" Und damit schlug er mit
seiner Streitaxt an den Krug. Alle erstaunten; aber der König verbarg
seinen Zorn über die Beleidigung und übergab dem Boten des Bischofs
den Krug.
Ein Jahr darauf berief Chlodwig zur gewöhnlichen Zeit der großen
Volksversammlung im Monat März sein Volk zu einer Heerschau, um
ihre Waffen zu prüfen. Als er die Reihen durchschritt, kam er auch zu
dem, welcher an den Krug geschlagen hatte, und sprach zu ihm: „Keiner
hat so ungeschickte Waffen hergebracht, wie du; denn weder dein Speer,
noch dein Schwert, noch deine Streitaxt sind etwas nütze!" Mit diesen
Worten warf er die Streitaxt jenes Mannes auf die Erde. Dieser bückte
sich, um sie wieder aufzuheben; im selben Augenblick aber erhob der König
seine Streitaxt und schlug ihn an den Kopf, indem er sprach: „So hast
du es in Soiffons mit dem Kruge gemacht!" Der Mann war todt; da
entließ der König die Andern. Alle aber fürchteten sich vor den Gewalt*
Ihätigkeiten des Königs.
2. Chlodwigs Bekehrung zum Christenthum.
Nach einigen Jahren seiner Herrschaft schickte Chlodwig Abgesandte
nach Burgund an den König Gundobald, um dessen Schwester Chlo¬
tilde zu werben, welche man ihm als eine sehr schöne und kluge Jung¬
frau geschildert hatte. Gundobald hatte alle seine Geschwister übel be¬
handelt, wagte indeß nicht, sich mit dem Frankenkönig zu verfeinden, und
schickte ihm seine Schwester. Chlotilde aber bat ihren Gemahl inständigst,
er möchte sich taufen lassen. Chlodwig wollte nicht, gestattete aber, daß
sein Sohn getauft würde. Doch der Sohn starb bald nach der Taufe;
da sprach Chlodwig erzürnt: „Wenn der Knabe den Göttern meines Volkes
geweiht worden wäre, so wäre er nicht gestorben." Chlotilde wußte ihren