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Freundes leitende Hand in tausend Verwirrungen gerathen sein: 
und wie Melanchthon fühlte, daß Luther's Muth und Sicherheit 
ibm fehlte, so ehrte Luther dagegen Melanchthon's gründliche Kennt¬ 
niß und ruhigere Fassung. — »Ich danke es meinem Philipp — 
schreibt Luther einmal — daß er uns Griechisch lehrt. Ich bin 
älter, als er, allein das hindert mich nicht, von ihm zu lernen. 
Ich sage es frei heraus, er versteht mehr denn ich, dessen ich mich 
auch gar nicht schäme.« Diese gerechte Anerkennung seines Ver¬ 
dienstes erwiderte Melanchthon mit einer Hochachtung, die an Ver¬ 
ehrung grenzte. Gewöhnlich nennt er Luther in seinen Schriften 
vorzugsweise den Doktor. Sein Betragen gegen ihn war nach¬ 
gebend und vorsichtig. Er erklärte sich darüber in einem Briefe 
der einige Zeit nach Luther's Tode geschrieben ist. »Luther — sagt 
er darin — war bet seinen großen Tugenden von Natur hitzig 
und aufbrausend. Ost mußte ich ihm eine sklavische Unterwürfigkeit 
beweisen, da er zuweilen mehr seinem Temperamente folgte unb 
weniger auf feine Person und das allgemeine Beste Rücksicht nahm. 
Er konnte es nicht gut leiden, wenn man von seiner Meinung ab¬ 
wich.« — Wie glücklich mußte sichs also treffen, daß der Mann 
welcher Luthern in Ansehung des Wissens so weit übertraf, ibm in 
Ansehung des Muthes zum Handeln so weit nachstand. Nur daher 
kam es, das ihr Ehrgeiz während einer Laufbahn von 28 Jahren 
nie fernblieb zusammenstieß und die zum Wohle des ganzen Resor- 
mationLwerkes so nöthige Uebereinstimmung nirgends störte. 
Welch ein bedeutender Mann übrigens dieser Melanchthon ge¬ 
wesen sein müsse, erhellet schon daraus, daß selbst der strahlende 
Glanz eines Luther ihn nicht verdunkeln konnte. Wer beide 
Männer kannte, war oft zweifelhaft, welcher von ihnen der größere 
fet; ja Viele, denen Luther's rasche Anmaßungen mißfielen, traten 
der guten Sache nur um Melanchthon's willen bei. Seine un- 
ermüDefe Thätigkeit, bie selbst bes kränkelnben Körpers spottete bie 
Gründlichkeit seiner Untersuchungen, bie Klarheit seiner Darstellung, 
bte heitere Ruhe bei ben Einwürfen feiner Gegner — bas Alles 
nöthigte seinen Zuhörern Bewunberung ab. Ein Frember, ber ein¬ 
mal seinen Vorlesungen beigewohnt hatte, versicherte, bie Apostel 
konnten 5efu nicht aufmerksamer zugehört haben, als bie Studenten 
™ ®taQnchthort. Eins seiner größten Verbienste war, baß er bie 
xuiiienscha,ten, bie bamals auf Sckmlen gelehrt würben, in eine 
bequemere Form brachte, zweckmäßigere Schulbücher für biefel&en 
cmJ i besonders für bie Erlernung ber alten Sprachen bessere 
„ erfand. Durch ihn würbe bte griechische Sprache im 
nördlichen Deutschlanb erst bekannt. Er schrieb eine griechische 
Grammattf, welche 28, unb eine lateinische, welche 32 Auflagen er* 
lebte. Dadurch, daß er das neue Testament zuerst aus dem Griechi¬ 
schen erklärte und wohlfeile Abdrücke der einzelnen Bücher desselben 
Geschichtsbilder. 8te Aufl.
	        
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