55 
Großen und Edeln seines Reiches, sondern-lud auch alle griechischen 
Staaten ein, Gesandtschaften zu den Festlichkeiten zu schicken, und 
ließ dort eine Menge Redner, Dichter, Künstler, Schauspieler und 
Musiker versammeln; denn er war eifrig bemüht, sich den Griechen 
gefällig zu beweisen und durch Freundlichkeiten ihnen seinen Dank 
dafür auszudrücken, daß sie ihm das ehrenvolle Amt eines Ober¬ 
feldherrn übertragen hatten. 
Inzwischen gedachte er des bevorstehenden Feldzuges nach Persien, 
dessen glücklichen Ausgang er gesichert wähnte. Doch wollte er sich 
dessen noch vergewissern, und ließ beim delphischen Orakel des¬ 
halb anfragen. »Siehe, der Stier ist bekränzt, nahe sein Ende, es 
harret der Opferer!« so lautete der Ausspruch des Gottes. Wer 
anders konnte damit gemeint sein, als der Perserkönig; dieser war, 
wie Philipp sich einbildete, der zum Opfertode Bekränzte. — Der 
König stand jetzt auf der höchsten Stufe seines Glückes, schon sah 
er Persien zu seinen Füßen niedergelegt und sich selbst auf dem 
Throne sitzend, das goldene Scepter in der Hand, ein Weltbeherrscher. 
Die für die Vermählungsfeierlichkeiten festgesetzte Zeit nahte, 
und König Philipp begab sich nach Aegä. Hier fand er Alles nach 
seinem Wunsche auss Glänzendste vorbereitet. Zahlreiche Abgeord¬ 
nete griechischer Städte, namentlich auch von Athen, überreichten 
ihm goldene Kronen, bedeutsame Ehrengeschenke. Der erste Tag 
des Festes ging ohne bemerkenswertes Ereigniß vorüber, allgemein 
herrschten Freude und Jubel, auch Philipp war hoch erfreut über 
die ihm erwiesenen Huldigungen. Am zweiten Tage sollte ein feier¬ 
licher Zug des Königs, sammt seinem Hofstaate, nach dem Theater 
stattfinden, wo Wettkämpfe veranstaltet waren. Schon in der Nacht 
vorher hatte sich ein Theil des Volkes zum Theater gedrängt, und 
als das Morgenroth anbrach, sammelte sich ein anderer Theil der 
Menge vor dem Paläste, dem glänzenden Zuge zuzuschauen. Da 
erschien der König, ein weißes Gewand wallte von feinen Schultern. 
Lauter Jubel, der nicht enden zu wollen schien, empfing ihn. Er 
trat mitten unter seine Leibwache und gab das Zeichen zum Auf¬ 
bruch. Zwölf Götterbilder wurden dem Zuge vorausgetragen, diesen 
schlossen sich die höchsten Würdenträger des Königs an. Dann 
folgte ein Herold, der Philipps Bild, das Bild des dreizehnten 
Gottes trug. 
Vor dem Eingänge zum Theater wurde Halt gemacht, und 
während die den Zug eröffnenden Männer eintraten, blieb der 
König vor dem Thore stehen. Abermals schallte ihm lauter Zuruf 
entgegen. Wie wohl that dies seinem Herzen! Er trat vor, um 
sich dem jauchzenden Volke zu zeigen und öffentlich darzuthun, daß 
er durch die allgemeine Zuneigung des Volkes gesichert, des Schutzes 
der Leibwache nicht bedurfte. Dadurch entfernte er sich von der 
Leibwache, welche bis dahin seine Person umringt hatte. Ganz
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.