Full text: Die Weltgeschichte in zusammenhängender Darstellung für Schule und Haus

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Der Gemeingeist, welcher die Bürgerschaft beseelte, war größer als inEretria, 
größer als in den meisten anderen griechischen Staaten zusammen und größer, als 
Hippias es sich dachte. Dazu kam ein Führer, der die persische Kriegsweise genau 
kannte und viel klüger und unternehmender war als aus feindlicher Seite Hip¬ 
pias. Es war Miltiades, derselbe, welcher dem Histiäos geraten hatte, die 
Brücke über die Donau abzubrechen. Als junger Mann hatte er seine Vater¬ 
stadt Athen verlassen und sich in Thrakien eine große Besitzung geschaffen, als 
Greis kehrte er zurück, um seinen Mitbürgern in der Stunde der Gefahr zu 
helfen. Wie ein Fürst kam er heim, denn er brachte eine Anzahl Schiffe und 
eine ansehnliche Schar tüchtiger Kriegsleute mit. Die Athener erwählten ihn 
zum Anführer, aber nicht ihn allein, sondern neun neben ihm; die 10 Strategen 
sollten abwechselnd je einen Tag den Oberbefehl haben. Die Rüstungen waren 
kaum beendet, als die Schreckenskunde von der Zerstörung Eretrias nach Athen 
gelangte. Eiligst schickte man einen Boten zu den Spartanern, sie möchten 
ohne Verzug kommen, wenn sie GriechenlaiH vor den Persern schützen wollten, 
aber noch ehe der Bote heimkehrte, rückte das athenische Bürgerheer aus. Es 
waren 9000 Mann; unterwegs stießen noch 1000 tapfere Bürgerföhne aus 
dem böotifchen Städtchen Platää zu ihnen, das sich, entrüstet über die feige 
Unterwerfung der Thebaner, von dem böotischen Bunde getrennt und an Athen 
angeschlossen hatte. Je mehr sich das athenische Heer den Persern näherte, 
desto mehr gewann Miltiades an Einfluß. Diefer Mann, welcher in der 
Fremde Erfahrungen gesammelt und Tausende zu beherrschen gelernt hatte, ent¬ 
faltete eine Willenskraft, eine Umsicht und Sicherheit in allem, was er vornahm, 
daß die übrigen Strategen sich seiner geistigen Überlegenheit sreudig unterord¬ 
neten und ihm ihre Kommandotage freiwillig abtraten. Doch wartete er bis 
zu feinem Tage, ehe er die Perfer angriff. Er stellte das Heer, nach Stämmen 
geordnet, so auf, daß die Schlachtlinie der- Breite des Perserheeres gleich kam, 
dabei verstärkte er besonders die Flügel, während die Mitte nur dürftig besetzt war, 
und iu den hinteren Reihen derselben meist Sklaven standen. Langsam rückten 
die Griechen in dieser Ordnung aus ihren am Abhange des Gebirges gelegenen 
Verschanzungen. Als sie sich den Persern hinreichend genähert hatten, stürmten 
sie im raschen Laufe in die Ebene hinab, mitten in das feindliche Heer hinein. 
Dieses sah sich alsbald in eine Menge von Einzelkämpfen verwickelt, die es 
ihm unmöglich machten, einen Gesamtangriff in der gewohnten Kampfweise 
zn unternehmen. Zwar wurde die Mitte der griechischen Aufstellung von den 
persischen Kerntruppen*) hart bedrängt, und die schwachen Reihen mußten immer 
weiter und weiter zurückweichen, aber an beiden Flügeln waren die Griechen 
siegreich; sie trieben die Perser bis an die Küste, dann fielen sie der feindlichen 
Hauptmacht, welche nahe daran war, das Centrum zu durchbrechen, in den 
Rücken. Nun riß die Verwirrung unaufhaltsam im persischen Heere ein, die 
Flucht wurde allgemein, viele gerieten in die Sümpse, die sich, mit trügerischem 
Grün bedeckt, meilenweit durch die Küstenebene zogen; glücklich schätzten sich die, 
welche auf die Schiffe entkamen. Zuletzt entbrannte der Kampf noch einmal 
*) Von der Reiterei ist nicht die Rede, sie war wahrscheinlich wieder eingeschifft 
worden, als die Athener sich auf den Höhen verschanzt hatten. Miltiades mochte dies 
wohl abgewartet haben, um den Kampf nur mit einem Teile des Perserheeres auf¬ 
nehmen zu müssen.
	        
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