— 51 —
pellierte an das höchste Gericht im Lande, an die Landes¬
versammlung in Heide.
An dem von den Vögten zur Versammlung fest¬
gesetzten Oktobertage kamen nun von allen vier Winden
die dithmarscher Männer nach Heide, um, wie es von
alters her Brauch war, dort unter Gottes freiem Himmel,
auf dem geräumigen Kirchhofe des Ortes, zur Beratung
zusammenzutreten. Dorthin kamen die Schlüter und Ge¬
schworenen aller Kirchspiele des ganzen Landes, dorthin
kamen auch die achtundvierzig Regenten und die Vögte,
im ganzen etwa fünfhundert Mann; aber es kam auch
dorthin eine ungezählte Schar von freien Männern aus
dem ganzen Dithmarschen, denn die Kunde, daß über
Wibeu Peters Angelegenheit noch einmal verhandelt werden
sollte, hatte sich schnell im Lande verbreitet und eine
große Menge Neugieriger herbeigelockt. Sie kamen zu
Pferde, zu Wagen und zu Fuße, je nach der Entfernung
und dem Vermögen der einzelnen; alle aber ohne Unter¬
schied fragten sich: „Was wird nun werden, und wie
wird die Landesversammlung entscheiden?" Auch Wiben
Peter hatte sich frühzeitig von Meldorf aufgemacht, um
rechtzeitig in Heide zu erscheinen. Eine große Verände¬
rung war mit dem Manne vorgegangen. Früher lebens¬
freudig und heiteren Gemütes, war er jetzt ernst und
finster geworden; sein Gesicht war bleich, die Augen lagen
tief in ihren Höhlen und glühten in einem unheimlichen
Feuer; das früher so üppige Haupthaar war stark ge¬
lichtet und zeigte schon einzelne weiße Fäden. Das hatten
die Aufregung, der Verdruß, die Sorge bewirkt, die sich
des Abends, wenn er zur Ruhe ging, an sein Lager stellten
und den Schlaf von den Lidern verscheuchten, und des
Morgens, wenn er aufstand, mit ihm aufstanden, ihn
den ganzen Tag nicht verließen und ihm die Ruhe raubten.
Und in dem Hanse am Zingel, wo in früheren Zeiten
das Glück seine Heimstätte ausgeschlagen hatte, war eben¬
falls vieles anders geworden. Freilich, die Liebe und die
Eintracht unter den Brüdern und den Ehegatten war
geblieben; alle litten mit Wiben und halfen ihm tragen
4*