Full text: Die Supplingenburger (2)

Erstes Kapitel: 
Die Klause am Lutterüach. 
Mer alte, fromme Pater Wilbrand hatte sich keinen 
^ schlechten Platz ausgesucht, als ihm Herzog Lothar von 
Sachsen, Herr von Supplingenbnrg, gestattete, am Fuße 
des Elmgebirges sich einen Ort zu wählen, wo er Gott 
und den Heiligen fürder Tag und Nacht dienen könnte. 
Mit den Augen eines feinen Naturkenners hatte er das 
Ufer des Bächleins gewählt, welches wegen feines klaren, 
lautern Wassers die Lauter oder Lutter genannt wurde 
und heute noch so genannt wird. Unter finstern Tannen 
und Buchen erbaute er sich dort, als ein geschickter Werk¬ 
meister, mit eigener Hand ein Hüttlein, dessen Dach er 
mit Rohr deckte und dessen Wände er mit Lehm und 
Moos dicht machte gegen die Unbilden der Witterung. 
Ein Tisch, ein Stuhl und eine Bank, alles roh mit einem 
Beile gearbeitet, bildete fein gesamtes Hausgerät; auf 
einem Gesimse standen einige irdene Schüsseln und Krüge, 
und in einer Ecke befand sich die ärmliche Lagerstatt, ein 
mit dürrem Laub gefüllter Sack und darüber liegend einige 
Reh- und Hirschfelle. Neben dieser Klause stand ein großes 
Kreuz, und zu Füßen desselben war aus rohen Steinen 
ein Altar aufgerichtet, welcher statt einer Decke mit 
grünem Epheu ganz überzogen war. In den Zweigen 
einer hohen, stattlichen Buche aber hing, im Sommer von 
grünem Laube ganz verdeckt, ein Glöckleiu, ein Geschenk 
der frommen Herzogin Richenza, der Gemahlin Lothars, 
welches Wilbrand dreimal täglich läutete, so daß der Schall 
weit hinunter tönte in das Thal und die Landleute zum 
Gebete rief. 
Tiemann, Die Supplingenburger. 1
	        
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