Full text: Bilder aus dem Herzogtume Braunschweig für Schule und Haus

— 92 — 
Ketten und Seile an denselben befestigen, die sie an starke Bäume 
banden, welche sie sodann fällten. Da sank der Turm und zerschlug 
im Falle das Dach der Kirche, die Glocke zersprang, und die Stücken der¬ 
selben wurden als Beute mitgenommen. Erst nach der Niederlage 
der Bauern bei Frankenhausen verliessen die Räuber das arg ver¬ 
wüstete Kloster. Die Mönche kehrten, wenigstens teilweise, in das¬ 
selbe zurück. Da man aber das Kirchendach nicht wieder herstellte 
so stürzte nach Jahren das Gewölbe des Gotteshauses ein. 
Inzwischen waren infolge der Einführung der Reformation in dem 
grössten Teile Norddeutschlands die Einnahmen des Klosters immer 
geiingei geworden, viele Güter von den benachbarten Fürsten in Be¬ 
sitz genommen und die noch vorhandenen von den Äbten auf leicht¬ 
sinnige Weise vergeudet worden, so dass die Grafen von Hohnstein, 
die Schutzvögte des Klosters, die Verwaltung desselben in die Hand 
nahmen und in den von den Mönchen verlassenen Gemächern eine Ge¬ 
lehrtenschule einrichteten. 
Zur Zeit des dreissigjährigen Krieges kehrten die Mönche für 
kurze Zeit in das Kloster zurück, doch nach der Schlacht bei Breiten¬ 
feld zogen sie für immer aus ihrem eben wieder gewonnenen, noch 
immer begehrenswerten Eigentum fort, von dem nun Herzog Friedrich 
Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel Besitz nahm. 
Seitdem die Kirche für den Gottesdienst unbrauchbar geworden 
war, verfiel dieselbe immer mehr. Wie so viele ehrwürdige Bauwerke 
alter Zeit diente auch sie als Steinbruch für die nähere und weitere 
Umgegend,^ und manche Kirchen und Kapellen, sowie viele weltliche 
Gebäude sind aus den verfallenen Trümmern des herrlichen Gottes¬ 
hauses erbaut worden. Zerstreut sind die reichen Kostbarkeiten, die 
im Laufe der Zeit hier angesammelt wurden; das Taufbecken zierte 
einst den Garten des Schlosses zu Salzdahlum als Fontänebecken, bis 
es in der westfälischen Zeit verkauft wurde, und der herrliche Altar 
mit seinem berühmten Gemälde schmückt noch heute die Kirche auf 
dem Hradschin zu Prag. 
Aber auch jetzt noch erfüllen die geringen Reste des Gotteshauses, 
das schöne westliche Portal mit seinen weiten und hohen Fenstern, 
der schöne Chor, den Beschauer mit ehrfurchtsvollem Staunen: noch 
heute rufen die weiten Kreuzgänge, die zahlreichen Kapellen, der 
Kapitelsaal und die zahlreichen andern Bauwerke die grosse Macht 
und den einstigen Reichtum des Klosters uns ins Gedächtnis zurück. 
Mit Wehmut scheidet der Beschauer von den so deutlich redenden 
Zeugen frommen Glaubens und hoher Opferfreudigkeit längst ver¬ 
gangener Zeiten und roher Unkenntnis und Zerstörungssucht der 
jüngst vergangenen Jahrzehnte. 
Otto Hohnstein.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.