168. Hohe Vaterlandsliebe.
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seinen Enkel und erzählte ihm, was Amulius ihm und -seinem Bruder
angethan, da beschlossen sie, den Frevel zu rächen, zogen mit einer
Schar verwegener Gesellen in die Stadt, brachten den Amulius ums
Leben und setzten den Numitor wieder auf den Thron. Dafür er¬
laubte ihnen Numitor, in der Gegend, wo sie ausgesetzt worden
waren, eine neue Stadt zu bauen. Das thaten sie; Romulus nahm
einen Pflug, spannte zwei weiße Rinder davor und zog damit um
einen Hügel eine Furche im Viereck; das war die Grenze der zu¬
künftigen Stadt. Um die Furche wurde dann ein Erdwall auf¬
geworfen. Der Anfang der Stadt war freilich nichts als einige mit
Schilf und Stroh gedeckte Hütten. Nun hatten aber die beiden
Brüder schon vorher Streit gehabt, wo die Stadt angelegt und nach
wem sie benannt werden solle. Auf Numitors Rat befragten sie
die Götter um ihren Willen; der Flug der Vögel sollte entscheiden.
Und als sie so standen und aufschauten, da erschienen zuerst dem
Remus sechs Geier; aber bald darauf flogen bei Romulus unter
Donner und Blitz zwölf Geier vorüber. Da erhob sich der Streit
von neuem, und Romulus erschlug seinen Bruder. Nun war er
Alleinherrscher, und die Stadt wurde nach ihm genannt.
168. Hohe Vaterlandsliebe. [I.]
Grubes Charakterbilder aus der Geschichte und Sage. 1. Thl. 17. Ausl. Leipzig 1875. 8. 176.
1. Horatius Kokles.
Nördlich von Rom lag das fruchtbare Land der Etrusker;
ein mächtiger etruskischer König, Porsena, war von Tarquinius zu
einem Kriegszuge gegen Rom beredet worden. Dieser drang mit
einem großen Heere siegreich vor, und es gelang ihm, die Stadt
einzuschließen. Nur der Fluß Tiber trennte ihn noch von Rom;
mit seinen kriegslustigen Scharen rückte er an die Brücke, welche
die beiden Ufer des Flusses verband. Eine kleine Schar von
Römern, die auf der Brücke Wache hielt, floh. Bloß ein Mann,
Horatius Kokles mit Namen, blieb am Eingänge der Brücke stehen;
zwei andere, durch das Beispiel des Tapfern ermuntert, gesellten
sich zu ihm, und diese drei Männer sperrten das Brückenthor und
hielten mit ihren Schildern und Schwertern den Feind zurück. Unter¬
dessen wird hinter ihnen die hölzerne Brücke abgebrochen; als man
an das letzte Brett kommt, rufen die Römer den Jhrigen zu, nun
möchten sie sich retten. Die zwei gehen zurück; Horatius aber
bleibt allein und kämpft so lange, bis die Brücke hinter ihm ein¬