Full text: Quellenbuch zur Geschichte des neunzehnten Jahrhunderts für höhere Lehranstalten

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Aus der Zeit der Kämpfe um Berfassung und die deutsche Einheit. Ms 1850. 
wir alle versammelt waren, und rief mit lauter Stimme und rotem 
Kopfe: „Da die Barrikaden verschwinden, so befehlen Seine Majestät, daß 
die Truppen von allen Straßen und Plätzen zurückgezogen werden sollen." 
Ich nahm sofort das Wort und sagte, das stehe ja im Widersprüche mit 
den Worten der Königlichen Proklamation, wo es nur heißt, daß da, wo 
eine Barrikade verschwinde, die vis-ä-vis stehenden Truppen zurückgezogen 
werden sollen. Der Minister donnerte mir aber entgegen: „An den Worten 
des Königs darf nichts geändert noch gedeutet werden." Ich fuhr fort, 
fragte, ob unter allen Plätzen auch die Schloßplätze zu verstehen seien, 
wo die rückkehrenden Truppen sich aufstellen konnten. Der Minister Bodel- 
schwingh donnerte mir aber nochmals dieselben Worte entgegen und befahl 
dann: „Und nun laufen und reiten Sie, meine Herren, um die Befehle 
des Königs zu überbringen, die Truppen sollen mit klingendem Spiel ab¬ 
ziehen." 
Seit dem Moment sah ich den Minister von Bodelschwingh nicht 
wieder; es waren die letzten Worte, welche er als Minister sprach. Ich 
suchte den König im ehemaligen ersten Zimmer der Gräfin Redens) fand 
ihn aber nicht, fand aber Graf Arnim schreibend, ich sragte ihn, wo ist der 
König, was machen Sie denn? Er erwiderte: „Ich formire das neue- 
Ministerium!" und ich las die Namen Auerswald, Schwerin?) — Ich 
sagte aber: „Das ist ja ganz wie in Paris, wie Guizot, Thiers, warten 
Sie doch damit noch." „Nein", war die Antwort, „es ist die höchste Zeit." 
Als ich ins Hallenkabinett des Königs trat, fand ich ihn auch dort 
nicht, zurückkehrend ins Speisezimmer, trat er auch ebeu ein; er sah die 
allgemeine Konsternation, und wir erzählten ihm den Bodelschwinghschen 
Auftritt. Er versicherte, keinen anderen Auftrag und keinen anderen Be¬ 
fehl gegeben zu haben als den, der in der Proklamation enthalten sei, und 
es müßte das sofort noch geändert werden. In demselben Moment kam 
aber schon das Füsilier-Bataillon 1. Garde-Regiments tambour battant 
über die Kurfürstenbrücke, darauf das vom Regiment Alexander, und die 
Menschenmasse stürzte nach. Der König befahl, die Brücke sollte besetzt 
und gesperrt bleiben; es war zu spät und unmöglich. Die Truppen rückten 
auf die Schloßhöfe und aus den Domplatz. Als die Brücke unbesetzt blieb, 
sagte ich zu Arnim: „Nun sind wir verloren!" denn ich sah alles vorher, 
was nun folgen würde. 
Ich ging hinunter zu den Truppen. . . . Als ich zurückkehrte in die 
Zimmer der Königin, beruhigte ich die desolirten Anwesenden damit, daß 
alle Truppen noch da seien und vom besten Sinn beseelt. Mit einemmal 
höre ich trommeln; ich stürze an das Fenster und sehe — das 1. Garde- 
Regiment aus dem Portal Nr. 1 abmarschiren über den Schloßplatz unter
	        
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