Full text: Vom Kurhut bis zur Kaiserkrone

In diesem Augenblicke erklang auf der ganzen Linie die 
Nationalhymne: „Heil Dir im Siegerkranz!" Von seinem General¬ 
stabe gefolgt, der mehr als 600 Offiziere zählte, sprengte nun 
der Kaiser die drei Linien des Heeres entlang und stellte sich dann 
vor der kaiserlichen Tribüne auf, die leer geblieben war, wie alle 
anderen; der Kronprinz setzte sich an die Spitze des Heeres, und 
der Vorbeimarsch begann unter nicht enden wollendem Hurra! 
Graf Bismarck ritt inmitten der Offiziere des General¬ 
stabes; er trug die Kürassieruniform mit dem Stahlhelm, aber 
keinen Küraß. 
Nach dem Vorbeimärsche vor dem Kaiser schlug jedes Re¬ 
giment mit seiner Musik an der Spitze den Weg nach dem 
Triumphbogen eiu. Die Preußen, welche auf der „Avenue der 
Kaiserin" (sprich: aw'nüh, d. i. eine mit Bäumen bepflanzte Straße) 
anlangten, marschierten bei dem Monumente vorbei uach den 
Elysäischen Feldern. Die Bayern hatten den Weg durch die Avenue 
des Acacias, durch die Avenue der großen Armee genommen; 
sie bogen nicht ab, sondern marschierten unter dem Triumphbogen 
durch. 
Während dieser Ameisenhaufen sich langsam verlief, hatte ich 
meine Uniform mit einer bürgerlichen Kleidung vertauscht und 
ging die Elysäischen Felder hinab, um in meine Behausung zurück¬ 
zukehren. 
Meine Straße lag innerhalb der deutschen Zone, und es war 
mir nicht unlieb, nachsehen zu können, was in meinem be¬ 
scheidenen Haushalte vorging, nachdem ich fremdes Eigentum ge¬ 
schützt hatte. 
Die Elysäischen Felder boten einen befremdenden Anblick. 
Alle Lüden, alle Fenster waren geschlossen; man sah nur Deutsche. 
Die Soldaten waren bereits in fast allen Häusern untergebracht; 
überall wurde abgekocht. Die preußischen' Soldaten saßen oder 
standen an der Hausthür, rauchten ihr Pfeifchen und plauderten. 
Sie sahen durchaus nicht wild aus. 
Ein Restaurant in den Elysäischen Feldern und ein Kaffee aus 
dem Rond-Point (sprich: Rong-Poäng) waren geöffnet geblieben. 
Die Eigentümer dieser beiden Etablissements rannten geschäftig hin 
her und antworteten lächelnd und in deutscher Sprache ihren neue« 
Gästen: es war aber unmöglich, alle zu bedienen. 
Später, als die Deutschen abgezogen waren, sprach das 
Volk einen Augenblick davon, die beiden Lokalitäten zu plündern 
und zu zerstören. Dann dachten die Leute aber wieder an andere 
Dinge; die Eigentümer kamen daher mit der bloßen Furcht und 
mit einer zweitägigen außerordentlichen Einnahme davon.
	        
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