A. Die Griechen.
1. Worin beruht die Bedeutung des Griechentums?
Die Griechen sind, wie die Römer, ein klassisches Volk^), weil
das, was sie hinterlassen, für uns klassisch^), d. H. mustergültig geworden;
sie find in den Erzeugnissen ihres Geistes die Lehrer der idealen Mensch¬
lichkeit (Humanität), die genialen Meister der formalen, maßvollen Schön¬
heit in allen bildenden wie redenden Künsten^).
2. Welchen Einstuft übte die Lage von Griechenland auf die
Entfaltung des griechischen Wefens?
Griechenland besitzt eine große Verschiedenheit der Gestaltung und
weist kein Gebiet ans, welches durch Lage und Natur ein größeres einheit¬
liches Reich ermöglichte, so daß zahlreiche kleinere Staaten sich entwickelten,
die ihre Selbständigkeit und Eigenart wahren konnten und ein buntes
individuelles Leben gestatteten. Die Zunahme der Gliederung von Norden
nach Süden begünstigte diesen sowie die Mitte, während die buchtenreiche
und ebenere, klimatisch milde Osthälfte im Gegensatze zu dem rauheren,
gebirgsreichen Westen (rauhes Dorertum) besonders bevorzugt war und
sich, von einer reichen Jnselsinr umgeben, den Einflüssen des alten Kultur¬
landes Asien am leichtesten darbot (empfängliches Jonertnm). Die geringe
Fruchtbarkeit des ganzen Landes führte die Bewohner zu angestrengter
Arbeit und dadurch den Geist zu wohlthätiger Entwicklung.
*) Volk (Nation) bezeichnet eine Gesamtheit von Menschen nach gemein¬
samer Abstammung, Sprache und Sitte: Staat ist eine größere Masse se߬
hafter Menschen, welche in einem Lande nach bestimmten Gesetzen regiert werden.
2) Klassisch kommt von classis, der Bezeichnung für die Centnrienabteiluugen
der servianischen Verfassung in Rom; die Mitglieder der ersten, meist ausschlag¬
gebenden Klasse hießen classici insbesondere. Das Wort bedeutet daher des
weiteren mustergültig.
3) Kunst ist die Darstellung des Schönen in sinnlich wahrnehmbarer Form,
Wissenschaft das planmäßige Streben nach Erkenntnis des Wahren.
Zurbonseu, Repetitionsfragen I. 1