Full text: Im späten Mittelalter (H. 4)

Das Gerichtsverfahren. 
Sache „vemewrogig" (femrügig) fei, vor das Gericht gehöre^). Nach- 
bem dietz durch der Schöffen Urteil entschieden war, legte der Kläger 
unterstützt von den Eideshelfern den Schwur über die Wahrheit 
feiner Anschuldigung ab. (Er kniete nieder, legte zwei Finger der 
rechten Hant> auf die Schneide des Schwertes und schwur: 
„N. N. hat mich bestohlen, ich habe ihn daher verklagt und 
geladen; er hat das höchste Gericht des HL Reiches verachtet2) und 
ist ungehorsam gewesen, weshalb er feiner Missetat wegen den 
Galgen verdient und feinen Hals verwirkt hat allen Freigrafen 
und Freifch offen; dies ist so wahr, als mir Gott und die Heiligen 
helfen mögen." 
Dann knieten bei sechs Freifchöffen je drei nieder, legten 
Zwei Finger auf das Schwert und schwuren: „Der (Eid, den der 
Ankläger geschworen hat, der ist rein und nicht main (falsch) und 
das ist wahr, das bitten wir uns Gott zu helfen und alle Heiligen." 
Gewöhnlich richtete der Freigraf erst eine schriftliche Warnung3) 
an den Beschuldigten sich binnen einer Frist mit dem Kläger zu 
vergleichen und ihm genug zu tun, sonst muffe über ihn das Gericht 
ergehen, so leid es dem Freigrafen täte. Geschah das nicht, so wurde 
die Sache noch einmal vorgebracht und dann die Vorladung be¬ 
schlossen 4). Der Freigraf erließ sie unter feinem Namen schriftlich 
in verschlossenen Briefen, welche neben der Aufschrift die Warnung 
trugen: „Diesen Brief soll niemand lesen, er sei denn ein Freifchöff." 
„EDiffet, Hermann Degler und sein Sohn und Albert Strobemann, daß 
ich )akob Stoffregen, Freigraf der Grafschaft zu Rheda, Luch tue bitten und 
entbiete von des HI. Reiches wegen unter Königsbann, daß )hr kommet vor den 
Fteistuhl an dem Hundehof bei der Mühle zu Rheda am nächsten Montag nach 
St. Bartholomäustag zur rechten Richtezeit am Tage und antwortet dort auf 
die Klage des Johann Stroding, weil die Klage Euch allen hoch geht an Euren 
Leib und Ehre. Gute Freunde, hie kehret Euere Weisheit zu, daß der schweren 
Gerichte über Luch keine Not tut." 
Der Ladebrief war besiegelt. Das Siegel war meist aus grünem 
Wachs hergestellt und zeigte einen geharnischten Ritter mit bloßem 
Schwerte oder nur einen bloßen Dolch. 
^Wenn Stadtbürger vorgeladen wurden, legte man die Briefe 
bei Nacht an den Stadttoren, an der Haustür, selbst in Kirchen nieder, 
bald offen, bald in einem leinenen Umschlag wohl verwahrt. Saß 
der Angeklagte auf einer festen Burg, in die der Fronbote ohne 
Lebensgefahr nicht eindringen konnte, so schlich der Fembote sich 
*) 3n das Freijtuhlgericht gehörten heimliche Dieberei, Mord, unrecht¬ 
mäßige Fehde, Meineid, Gotteslästerung, Landabpflügen. 2) Überall waren 
Landfriedensgesetze verkündet worden. 3) Die Aufforderung sich zu versöhnen, 
wurde oft mit dem Ladungsbrief verbunden. 4) Als Ladetermin werden an¬ 
gegeben 2 Wochen und * Tag oder 6 Wochen und 5 Tage.
	        
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