Full text: Das Altertum (Teil 3)

Caligula. 
Von Alfred von Domaszewski. 
An der Schwelle vonTiberius' Sterbegemach lauschte sein Erbe den 
letzten Atemzügen des Dahinscheidenden. Endlich war die Herrschaft 
sein. Der letzte Sprosse des Mischen Hauses Gaius Julius Cäsar, der 
Sohn des Germaniens und der Agrippiua, bestieg zur Freude der Welt 
den Thron. Gewöhnlich führt er in der Geschichte den Namen Caligula, 
wie ihn die Laune der Soldaten genannt hatte, als er ein Bübchen, 
von seiner Mutter zum Legionär herausgeputzt, in den Rheinlagern 
heranwuchs. Sein wahres Erbe war der Wahnsinn eines untergehenden 
Geschlechtes. Auch seine äußere Erscheinung zeigte nur die Verzerrung 
der edeln Züge seines Hauses. Die hochaufgeschossene Gestalt mit dem 
bleichen Antlitz, den tiefliegenden Augen und den eingesunkenen Schläfen 
trug das Gepräge der Laster, denen er seit seiner ersten Jugend gefrönt 
hatte. Das volle Maß der sittlichen Verworfenheit, die er znr Scham 
der Menschheit auf dem Kaiferthrone bewährte, hatte er erst in der 
furchtbaren Schule zu Capreä erworben. Ohne mit einem Auge zu zucken, 
nahm er das gräßliche Ende seiner Mutter und seiner Brüder hin, einzig 
bemüht, durch hündischen Gehorsam sein eigenes Leben zu retten. Wohl 
durchschaute ihn der Menschenhasser, wenn er sagte, er werde alle Laster 
Sullas besitzen und keine seiner Tugenden. Und doch hat Tiberius die 
schwerste Schuld auf sich geladen, als er diesem von bösartigem Wahn¬ 
sinn besessenen Menschen das Reich auslieferte .. 
Zunächst zwar begrüßte ganz Italien den neuen Herrscher als den 
Bringer einer besseren Zeit. Man umgab den verkommenen Sohn mit 
dem Schimmer der Verklärung, der die Heldengestalt seines Vaters 
Germanicus umflossen hatte. Schon am 18. März (37 n. Chr.), zwei 
Tage nach Tiberius' Tode, hatte der Senat alle Ehren nnd Rechte des 
Princeps auf Caligula übertragen. Auf seinem Zuge nach Rom wurde 
er gefeiert, als sei ein Gott auf die Erde niedergestiegen. Zn Tausenden 
drängte sich die Menge, welche aus den benachbarten Landstädten herbei¬ 
geeilt war, auf den Straßen und begrüßte ihn mit Segenswünschen; 
überall flammten die Altäre, und Opferwolken stiegen auf. Am 28. März 
betrat er Rom, und es schien, als ob die goldene Zeit beginnen sollte ..,
	        
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