Fünfter Kursus.
(Lehrstoff der Obertertia.)
I. Europa im allgemeinen.
§ 104. Lage, Größe, Grenzen und horizontale Gliederung
Europas. Die umgebenden Meere.
Europa erhielt seinen Namen von den Phöniziern, in deren Sprache Ereb
Westland bedeutete. ,
Mit Asien verglichen erscheint Europa fast nur als eine große Halbinsel
dieses mächtigen Erdteils, an den es sich mit einer etwa 2500 km langen Basis
ansetzt. Auch' lassen sich verschiedene der Gebirgssysteme Asiens in ihren Ausläufern
nach Europa herüber verfolgen. Ebenso setzt sich längs der Eismeerküste die
Tundren-, südlich des Ural die Steppenzone weit nach Europa hinein fort. Die
größere horizontale Gliederung und Zugänglichkeit, das Fehlen der die einzelnen
Landschaften trennenden Plateaumaffen und Wüstengebiete, das mehr ozeanische
Klima und die durch alle diese Umstände hervorgerufene, gänzlich verschiedene Ent¬
wickelung des Völkerlebens verleihen jedoch Europa einen so eigenartigen Charakter,
daß wir wohl berechtigt sind, dasselbe als einen selbständigen Erdteil zu betrachten.
Die Geologie lehrt uns ferner, daß das gesamte Sibirische Tiefland und die
Manytfch-Niederung nördlich vom Kaukasus noch in einer verhältnismäßig jungen
Vergangenheit, als das Russische Tiefland längst Festland geworden, vom Meere
bedeckt waren. Eismeer, Kaspisches und Schwarzes Meer standen damals miteinander
in Verbindung und trennten Europa von Asien.
Als natürliche Grenze Europas ist das Westufer des
Europa und Asien ursprünglich trennenden Meeres anzusehen. Dieselbe
zieht daher längs des Ost (bezügl. Südost-)randes des Ural des
Obtschei-Syrt und der Wolga-Höhen zur Manytsch-
Nied erung und dann längs dieser zur Nordwestspitze des Asowschen
Meeres. Die genannten Gebirge und Höhenzüge gehören in ihrer
Gesamtheit Europa an, was auch darin seinen Ausdruck findet, daß
ihr Steilabfall nach der asiatischen Seite gerichtet ist, und daß die
sie zusammensetzenden Gesteine nach W. in das Russische Tiefland sich
fortsetzen.