Full text: Zur deutschen Geschichte (Teil 1)

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Erfurt. 1501. 
Die Universität Erfurt war etwa in solchem Ansehen und so berufen, daß alle anderen 
dagegen für kleine Schützenschulen angesehen wurden. Aber nun ist dieser Ruhm dahin, und 
ist dre Universität gar tot. Wie war es eine so große Majestät und Herrlichkeit, wenn man 
Magistros promov'irte und ihnen Fackeln vortrug uud sie verehrte! Ich halte, daß keine 
zeitliche Freude dergleichen gewesen sei. Also hielt man auch ein sehr groß Gepränge, wenn 
man Doktores machte. Da ritt man in der Stadt umher, wozu man sich sonderlich kleidete 
und schmückte, welches alles dahin ist nnd gefallen; aber ich wollte, daß man's noch hielte. 
Mein lieber Vater hat mich mit aller Liebe und Treue auf der hohen Schule zu 
Erfurt gehalten und durch feinen sauren Schweiß und Arbeit mir dahin geholfen, wohin ich 
gekommen bin. 
Ein alter Priester im Kloster: Seid getrost, mein Baccalanrens, ihr werdet dieses 
Lagers nicht sterben, unser Herrgott wird noch einen großen Mann aus euch machen, der viel 
Leute trösten wird. Denn wen Gott lieb hat nnd daraus er etwas seliges ziehen will, dem 
legt er zeitlich das heilige Kreuz auf, in welcher Kreuzschule geduldige Leute viel lernen. 
Der Vater hatte viel Bedenken, wollte nicht, bis so lange er überredet war und gab 
endlich drein einen unwilligen, traurigen Willen. Sprach: Es gehe hin, Gott gebe, daß es 
wohlgerate. Gleichwohl verwilligte er's nicht gerne von freiem und fröhlichem Herzen. Es 
fehlte an einem ganzen Willen. 
Du weißt nicht, teurer Augustinus, wie nützlich nnd notwendig dir diese Anfechtungen 
sind. Nicht vergebens versucht dich Gott, du wirst inne werden, daß er sich deiner einst noch 
zu großen Dingen bedient. (Staupitz.) — Du willst dich von Sünden befreien und hast 
doch keine rechte Sünde. Du mußt ein Register haben, darin rechtschaffene Sünden stehen. 
Soll Christus dir helfen, mußt du nicht mit solchem Humpelwerke und Puppensünden umgehen. 
Wahr ist', ein frommer Mönch bin ich gewesen und habe meinen Orden so strenge ge¬ 
halten, daß ichs nicht aussagen kann. Ist je ein Mönch in Himmel kommen durch Möncherei, 
so wollte ich auch hineinkommen sein. Das müssen mir bezeugen alle Klostergesellen, die mich 
gekannt haben. Denn ich hätte mich, wo es noch länger gewährt hätte, noch zu Tode ge¬ 
martert mit Wachen, Beten, Lesen und andrer Arbeit. 
Bei dem Festmahl nach Martins Priesterweihe, der Vater: Ihr Herren, habt ihr 
nicht gelesen, daß man Vater und Mutter ehren soll? — Gott gebe, daß es nicht ein Betrug 
und ein teuflisch Gespenst gewesen! — Ich sitze allhier, esse und trinke, und wäre doch 
besser daheim. 
102. Luthers Jund. 
Ein Kaufmann fand einst eine Perle 
Und hoch erfreut ob feinem Funde, 
Verkauft' er alles, was er hatte, 
Die Perle kauft' er zu der Stunde. 
So ward auch dir zu teil die Perle, 
Die du gesunden unvermutet, 
Als mit dem mächt'gen Geist du rängest, 
Von Zweifelswogen überflutet. 
Du standest in der Weisheit Tempel, 
Ein Jüngling, reich begabt vor Vielen, 
Was ahnend sich im Busen regte, 
Mit Gottes Hülfe zu erzielen. 
Da lag bis an der Hallen Wölbung 
In Pergamenen aufgeschichtet, 
Was Aristoteles ersonnen, 
Was Plato und Homer gedichtet. 
Der Griechen heitre Lebensfülle, 
Des Römers fest gedrungne Stärke, 
Der Heilgen Väter heil'ge Bücher, 
Und Scotus und Aquina's Werke. 
Du siehst dich um in dieser Wildnis 
Und hörst die Bäche mächtig rauschen, 
Du möchtest ruhen an den Bächen, 
Den ahnungsreichen Tönen lauschen. 
Den Durst nach Weisheit dir zu löschen, 
Will dir des Baches Flut nicht munden, 
Nicht ruhst du, bis die Lebensquelle, 
Die ewig klare, du gesunden. 
Da quillt aus Moder und aus Staube 
Hervor die ewig frische Quelle, 
Das Wort, auf dem der Christenglaube 
Sich auferbaut zur Sternenhelle.
	        
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