144
IV. Entstehung und Entwicklung des Frankenreiches.
rmmer seltener und schwieriger. Die Befugnisse dieser Versammlung
beschränkte sich in der Hauptsache auf die Zustimmung zu Krieg und
Frieden. Damit verschwand mehr und mehr der demokratische Grund¬
zug, den die germanische Stammesverfassung gehabt hatte. Auch
wußte der König durch die Verleihung der ihm zur Verfügung
stehenden ausgedehnten Ländereien seine Gefolgschaft zu vergrößern
und sich eine getreue Beamtenschar zu sichern. Die Geistlichkeit aber
fühlte sich unter der Führung ihrer Bischöfe und Erzbischöfe mit
dem „allerchristlichsten" König aufs engste verbunden und suchte seine
Macht in jeder Weise zu stützen. War er doch nicht nur der Hüter
des „reinen" Glaubens, sondern auch vor allem der Schützer des
Kirchengutes gegen die Begehrlichkeit der weltlichen Großen. Die
romanische Bevölkerung vollends erkannte, wie einst den Kaiser, so
jetzt den Frankenkönig als unumschränkten Herrn an. Die von
ihr aufgebrachten Zölle und Steuern stärkten die Finanzen des
Königs, während die Germanen wohl zu persönlichen Diensten, aber
nie zu regelmäßigen Zahlungen zu bewegen waren. So konnte ein
Königsschatz, der „Hort" der deutschen Sage, angesammelt werden,
der die Macht des Herrschers noch steigerte. So erklärt es sich auch,
daß seit Chlodwig das Wahlrecht der Freien zurücktrat und die
Königskrone erblich wurde.
Das erstarkte Königtum fügte alle eroberten Gebiete zu einem
einheitlichen Reiche zusammen, dessen Bevölkerung sich trotz der
wiederholten Teilungen der Königsgewalt auch als ein einheitliches
Ganzes fühlte. Vom König ernannte „Grafen" standen an der
Spitze der Gaue, in die das ganze Reich geteilt war; sie führten
im Frieden die Verwaltung (d. h. sie waren vorwiegend mit der Ein¬
treibung der dem Könige zustehenden Gefälle, der „Regalien", betraut)
und den Vorsitz im Gericht; im Kriege hatten sie den Oberbefehl
über das Aufgebot ihres Bezirks. Vom König angesiedelte Gefolgs¬
leute sorgten ähnlich wie die römischen Militärkolonien für die
Sicherheit der eroberten Gebiete. Die Entschädigung für die von
den Grafen geleisteten Dienste bestand in Landanweisungen,
„Benesizien"; auch genossen die königlichen Beamten besonders hohes
Ansehen; sie waren durch das dreifache Wergeld des Freien geschützt.
Ebenso stand es mit den zahlreichen Personen, die die Umgebung des
Königs bildeten und teils für Hofdienste, teils für die allgemeine
Landesverwaltung verwendet wurden. Art der Spitze der gesamten
Hofhaltung stand anfangs der Seneschall, der „älteste Knecht",
später der Hausmeier (rnajor dornus).
Mit dieser vom König ernannten Beamtenschar kam ein neuer,
bevorzugter Stand auf, ein Dienst ad el, während der alte Geburts-