Full text: Bilder aus der vaterländischen Geschichte für hessische Schulen

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watend, wurde das stolze Heer fortwährend von den Russen ange- 
ariffen Was ihrem Schwerte entging, war dem Elend preisgegeben, 
das sich mit jedem Tage steigerte. Das rohe Fleisch gefallener Pferde 
diente als Speise, und jeden Morgen lagen Tausende erfroren tm 
Schnee. Im traurigsten Zustande erreichte endlich der Rest der großen 
Armee (am 27. November) die Beresina, einen Nebenfluß von Dnjepr. 
Die Furcht und Eile, mit der sich die Fliehenden nach den zwei 
Brücken drängten, die über den Fluß geschlagen worden, verursachten, 
daß viele niedergeworfen, erdrückt, zertreten und überfahren oder in 
den Fluß gestürzt wurden. In dieser Verwirrung erschien ein russisches 
<öecv schleuderte Granaten und Kartätschen in die fliehenden Massen 
und 'richtete eine unbeschreibliche Vernichtung an. Ein Angstgeheul er¬ 
hob sich, das noch gräßlicher wurde, als Napoleon oder sem Marschall 
Viktor die Brücke abbrechen ließ, um der Verfolgung der Russen zu 
wehren. Was noch aus dem linken User der Beresina war, siel den 
Russen in die Hände. Kaum 50,000 Mann erreichten das rechte 
User. Napoleon verließ das Heer und eilte auf einem Schlitten, tn 
Pelz gehüllt, nach Paris. Nach unbeschreiblichem Elend und Jammer 
erreichte der Rest, Leichen gleich, in Lumpeu, Frauenkleidern und Stroh 
eingehüllt, die preußische Grenze. Jeder erkannte das Gericht Gottes, 
dessen strafende Hand den Übermütigen ereilt hatte. Jetzt glaubte 
man allgemein, es fei die Zeit gekommen, das schmählich getragne Joch 
abzuwerfen. 
80. Preußen steht aus. 
(1813.) 
Preußeu hatte, wie schon erzählt, 20,000 Mann zur großen 
Armee stellen müssen. Als sie wieder den heimatlichen Boden erreicht, 
konnte der brave General York sein Gefühl nicht mehr bezwingen. 
Mehrmals hatten ihn russische Generale, namentlich Diebitsch, aufge¬ 
fordert, die Franzosen zu verlassen und,sich mit den Rnssen zu ver¬ 
einigen. Erkennend, wie wichtig der Übertritt zu den Russen sei, 
faßte er einen Entschluß, der ihm die Bürgerkrone verschaffen oder ihn 
aufs Blutgerüst führen konnte. Er handelte gegen den Willen des 
Königs, aber er wußte auch, daß der König, in seiner Hauptstadt von 
ben Franzosen umgeben, nicht frei handeln konnte. York versammelte 
seine Offiziere und eröffnete ihnen seinen Entschluß, mit den Russen 
einen Vertrag schließen zu wollen und sprach: _ „Meine Herren! Die 
große, stolze französische Armee ist auf den Eisfelbern Rußlands be¬ 
graben. Die Gelegenheit, unser Vaterland frei zu machen, ist da, 
und die Vereinigung mit den Russen ist unsre Pflicht. Wer sein 
Vaterland liebt, der folge mir; wer meiner Ansicht nicht ist, trete aus.
	        
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