Full text: Grundzüge der Geschichte des Mittelalters (Teil 2)

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7. Das Haus Konstantins und die Abwehr der Westgermanen 
337-363 (375). 
1. Während die planmäßig angesiedelten Ostgermanen unter der Gunst 
solcher Verhältnisse (S. 33) Jahrzehnte lang ruhig blieben, drängten die 
Westgermanen, Alamannen und Franken, diese von den Sachsen, jene 
von den Burgundern geschoben, über die Rheingrenze und griffen auch in 
337 die nach Constantins Tode (337) aufs neue ausbrechenden Thronstreitigkeiten 
eiu. Von dessen Söhnen fiel Constantin II. im Bruderkriege 340, der 
siegreiche Constans verlor die Herrschaft des Westens schon 350 an Ma- 
gnentius, den Sohn eines Säten germanischer Abkunft und Führer vor allem 
germanischer Scharen. Aber auch dieser unterlag in der gewaltigen Schlacht 
351 bei Mursa (Essegg) an der Drau 351 dem Kaiser des Ostens Constantius, 
der nun das ganze Reich in seiner Hand vereinigte (351—361). Der Thron- 
kamps war aber zugleich ein Kampf zwischen Römern und Germanen 
um die Herrschaft des Westens. 
2. Die durch Constantius selbst veranlaßte Erneuerung der germanischen 
Einfälle über die Rheingrenze (nach der Ermordung des gefürchteten fränkischen 
Heermeisters Silvanus) bestimmte diesen, seinen erst 25jährigen begabten 
Neffen Julianus zum Cäsar zu ernennen und mit der Abwehr der West¬ 
germanen zu betrauen. Während der Kaiser irrt Osten gegen Quaden, Sueben 
357 und Sarmaten und gegen die Perser focht, errang dieser 357 unweit Stra߬ 
burg, freilich immer wieder wesentlich mit germanischer Hilfe, über 7 Ala¬ 
mannenkönige (Chnodomar) und ihre 35 000 Streiter einen blutigen Sieg1) 
und drang dann verwüstend bis an den Pfahlgraben vor, der jetzt zur Grenze 
zwischen Alamannen und Burgundern geworden war. Ebenso führte er sieg¬ 
reiche Kämpfe gegen die Franken und gewann sie durch Bundesverträge zu 
friedlichen Nachbarn. Doch auch diese Erfolge waren nur von kurzer Dauer, 
zumal da neuer Thronstreit die Kräfte des Reiches lähmte. Noch vor der 
361 Entscheidung desselben starb Constantins 361 und überließ Julian, den die 
nach dem Osten gerufenen keltisch-germanischen Hilfsvölker der gallischen 
Legionen zu Parts bereits als Kaiser auf den Schild erhoben halten, die 
Alleinherrschaft. 
3. Julian (361—363) „Apostata" machte den ebenso aussichtslosen 
wie gefährlichen Versuch, das absterbende Heidentum äußerlich und mittels 
der neuplatonischen Philosophie auch innerlich zu erneuern. Mit seinem 
frühzeitigen Tode auf einem Zuge gegen die Perser erlosch das Haus 
Constantins. Mühsam gelang es dann nach der kurzen Zwischenregierung 
363 des Jovianus (363—364) noch einmal dem kraftvollen Pannonier Valen- 
375 tinian I. (364—375) und seinem Bruder Valens, dem er als Mitfaifer 
den Orient überließ, zum Teil sogar angriffsweise die Rhein- und Donau¬ 
grenze gegen West- und Ostgermanen zu halten und die Grenzwehr nach 
dem Vorgänge Julians auch durch vorgeschobene Befestigungen zu verstärken. 
Die germanische Kriegslust begann unter dem Einfluß römischer Gesittung 
zu erlahmen, oder sie fand Befriedigung im römischen Dienste. 
*) Als Augenzeuge dieser alamannifchen Kämpfe berichtet anschaulich 
über die Schlacht Ammianus Marcellinus, der nach einer langen, ver¬ 
dienstvollen militärischen Lausbahn am Ende des 4. Jahrh, zu Rom eine 
Fortsetzung des Tacitus schrieb.
	        
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