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lagen, drohten vor Erschöpfung umzusinken. Kein Wunder, wenn General
Alvensleben besorgt ausschaute, ob nicht aus den rückwärts liegenden Thälern
deutsche Fahnen sich blicken ließen. Vergebens! Statt der ersehnten Hilfe
sah er immer wieder neue feindliche Adler auftauchen, neue französische Ba¬
taillone heranrücken. Der General hatte kein Regiment mehr im Rückhalt,
um im äußersten Notfall wenigstens den Rückzug sichern zu können. Die Lage
war sehr bedenklich — es mußte das Äußerste gewagt werden. Es waren
ihm das 7. Kürassier- und das 16. Ulanenregiment zur Versüguug gestellt
worden, -liefe sollten jetzt dem Drängen der Franzosen Einhalt gebieten und
den erschöpften Kameraden, die zu Fuße kämpften, einen Augenblick Ruhe er¬
ringen. Vom heftigsten Artillerie- und Gewehrfeuer empfangen, wirft sich die
Heldenschar in breiter Linie auf die Massen des Feindes. Das erste fran¬
zösische Treffen wird überritten, die Artillerielinie durchbrochen, Bespannung
und Bedienungsmannschaft werden zusammengehauen. Auch das zweite
Treffen vermag den mächtigen Reitersturm nicht aufzuhalten; die Batterien
ans den weiter rückwärts gelegenen Höhen protzen ans und wenden sich
zur Flucht. Von Kampfesmut und Siegeseifer fortgerissen, durchjagen die
braven Schwadronen sogar noch die nächste von Franzosen wimmelnde
Thalmulde, bis endlich von allen Seiten französische Kavalleriemassen gegen
sie ansprengen. Atemlos von dem anhaltenden Ritte, durch die feindlichen
Geschosse gelichtet, ohne jegliche Unterstützung und von allen Seiten von
der feindlichen Übermacht angegriffen, gilt es nun, sich rückwärts durchzu¬
schlagen. Ihr Führer, General Bredow, läßt Appell blasen. Nur noch
ein Trompeter, der oft genannte Trompeter von Mars la Tour, hält
sich, wiewohl verwundet, noch fest im Sattel; seine Trompete ist zer¬
schossen. aber noch hat er die Kraft, ihr Töne zu entlocken und bett tot-
müden Reitern bie Richtung anzubeuten. Abermals bie kurz vorher über*
rittene Artillerie- unb Infanteriewaffen durchjagend, von ununterbrochenem
Kugelregen überschüttet und von feindlichen Reitermassen verfolgt, eilen bie
Überreste ber beibeit Kavallerieregimenter auf Flavigny zurück. Der verwegene
Angriff hatte bte Hälfte ber Rosse unb Reiter gekostet; aber bas schwere Opfer
war nicht umsonst gebracht worben. Zwar immer noch führte Bazaine neue
Truppen hei bei; aber allmählich verstärkt sich bas beutsche Heer wenigstens
bis zur Hälfte bes feinblichen, unb in abermaligem Ringen messen bie Gegner
ihre Kräfte, bis mit beut sinkenden Tag das Fetter ans der ganzen Linie er¬
lischt. Über 10 volle Stunden hatte die blutige Schlacht gedauert, in ber
Deutsche und Franzosen je 16000 Mann an Toten und Verwundeten verloren.
Am folgenden Tage zeigte es sich, daß bie Deutschen das Schlachtfeld behauptet,
die Franzosen ihre Stellungen geräumt hatten. (Gedicht von Ferd. Freiligrat:
Die Trompete von Vionville.)
Die Schlacht bei Gravelotte wurde unter dem persönlichen Ober-
besehl des Königs Wilhelm geführt. 200 000 Deutsche kämpften gegen bie
noch größere feindliche Macht von morgens 6 Uhr bis in bie finfenbe Nackt