Full text: Lehrbuch der neueren Geschichte

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lastete das Übergewicht Frankreichs schwer auf dem Lande, das 
durch den Tod der allgeliebten Königin Luise (f 1810 zu 
Hohenzieritz bei Neustrelitz) einen abermaligen unersetzlichen 
Verlust erlitt. Die schweren Kriegskosten ließen die Wunden 
des Krieges nur langsam heilen. Aber je tiefer der Fall des 
Staates gewesen war, um so größere Anstrengungen machten 
König und Volk, dem tief gedemütigten Lande wiederaufzu¬ 
helfen. 
a) Gesellschaftliche Reformen. Nach dem Tilsiter 
Frieden berief Friedrich Wilhelm III. den Reichsfreiherrn Karl 
von Stein (geboren 1757 zu Nassau a. d. Lahn, seit 1780 
im preußischen Staatsdienst) in das Ministerium, der schon 
in den Jahren 1804 bis anfangs 1807 Finanz- und Handels¬ 
minister gewesen war. Art seinen Namen knüpft sich die staat¬ 
liche Wiedergeburt Preußens. Durch eine Menge der wohl¬ 
thätigsten Verbesserungen wußte er in allen Zweigen des öffent¬ 
lichen Lebens ein ganz neues frisches Leben zu entfalten. Der 
bäuerliche Besitz wurde 1807 von der Erbunterthänigkeit be- iso7 
freit, durch die Städteordnung vom Jahre 1808 den Städten lsos 
mehr Freiheit in Bezug aus die Verwaltung ihrer eigenen 
Angelegenheit verliehen, Gewerbefreiheit eingeführt, die Vor¬ 
rechte einzelner Stände abgeschafft, die Verwaltung verein¬ 
facht u. s. w. Napoleon, welcher das Wiederaufleben des ihm 
verhaßten Preußens mit Besorgnis verfolgte, ächtete Stein, so 
daß derselbe im Jahre 1809 vom Könige entlassen werden me 
mußte; er flüchtete nach Böhmen und Mähren und war seit 
1812 in russischen Diensten; doch setzte sein Nachfolger von 
Hardenberg, seit 1810 Staatskanzler, das begonnene Werk 
im Sinne Steins fort. 
b) Neugestaltung des Heerwesens. Neben Stein 
und Hardenberg wurde der Neugestalter nnd Erneuerer des 
preußischen Heerwesens General von Scharnhorstsgeboren 
1755 von bürgerlichen Eltern im Hannoverschen, seit 1801 als 
Oberstlieutenant in preußischen Diensten und nach dem Tilsiter 
Frieden vom Könige mit der Leitung des Kriegsdepartements 
betraut). Die entehrenden Strafen im Heere wurden auf seine 
Anordnung abgeschafft, dasselbe nur aus Landeskindern er¬ 
gänzt und der erste Plan einer Volks- oder Landmiliz 
von ihm gefaßt (derselbe kam 1813 in anderer Form durch 
die Landwehr zur Ausführung). Außerdem wurde der Grund¬ 
satz der Beförderung nur nach Tüchtigkeit ohne Ansehen der 
Geburt und des Dienstalters eingeführt und das sogenannte 
Krümpersystem geschaffen, welches durch stete Ausbildung 
von Rekruten und Entlassung ausgebildeter Mannschaften eine 
große waffentüchtige Reserve im Volke schuf und dadurch die
	        
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