Derbheit des Charakters Friedrich Wilhelms I.
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und gab dem Handel, indem es den Gebrauch der Banken lehrte, ein neues Leben, während
es die Regierung in ihrem Vorurteile gegen jede neue Idee und gegen alle Verbesserungs¬
pläne bestärkte.
Friedrich Wilhelm I., König von Preußen.
Wir haben es weniger mit der Persönlichkeit und dem Charakter des Königs zu tun,
als mit den Beziehungen, in denen er zu seiner Zeit stand. Der Meister des bittern Spottes
und geistreicher Verhöhnung, Voltaire, hat auf den ersten Seiten seines Buches, das er
feilte Denkwürdigkeiten nennt, über Friedrich Wilhelm (1713—1740) alles Lächerliche und
Gehässige zusammengestellt, was sich von einem geizigen und tyrannischen Regenten Nach¬
teiliges und Empörendes sagen läßt. Man hat daher Mühe, das Bild des ersten Königs
von Preußen ohne Vorurteil zu betrachten. Es ist wahr, der Geiz Friedrich Wilhelms wor¬
in seinem Übermaß lächerlich und gehässig; aber er schasste in einer Zeit, wo Verschwendung
an der Tagesordnung der Höfe war, seinem Nachfolger die Mittel, den deutschen Namen,
der damals unter den Nationen ein Spott geworden war, zu Ehren zu bringen. Von
Völlerei/ von Virtuosität im Trinken, von Maitressen und genialer Liederlichkeit, von fremden
Künsten und Künstlern, Sängern und Tänzern und Geigern war in Berlin keine Rede:
aber freilich auch nicht von Bildung, wenn sie nicht einen unmittelbaren Nutzen zum Zwecke
hatte. Um zu. begreifen, woher des Königs Verachtung gegen die Wissenschaft kam, muß
man bedenken, daß die französische Bildung, welche seine Mutter und sein Erzieher der
derben, nur auf das unmittelbar Nützliche gerichteten Natur Friedrich Wilhelms hatten aus¬
bringen wollen, diesem ebenso widrig und lästig war als der unsinnige Aufwand und bic
französisch-italienisch-spanische Etikette am Hofe feines Vaters.
Wie er gegen bie Abelsbilbung unb akabemische unb französische Gelehrsamkeit ber
Zeiten seines Vaters bie beutsche Derbheit seines Charakters gettenb machte, mögen einige
Beispiele zeigen. In seiner Zeit wie heutigen Tages war es an beit Hofen vornehm, fran
zösisch zu sprechen, nur mit Gemeinen unb Bürgerlichen rebete man beutsch; unter sich par¬
lierte man lieber französisch, als daß man sich im guten Deutsch unterhalten hätte. Friedrich
Wilhelm war zwar der französischen Sprache mächtig; er ließ, weil er die herrschende Sitte
der Höfe nicht ändern konnte, auch seine Familie französisch erziehen, sprach, wenn der An¬
stand es erforderte, selbst französisch, duldete aber gleichwohl nur die deutsche Sprache in
seinen Abendzirkeln, unterhielt sich nur deutsch mit seiner Familie und mit den Gesandten
deutscher Mächte. Sein gesunder Sinn verspottete und verhöhnte daher auch die nach fraiv
zösischem Muster eingerichtete Berliner Akademie als ein leeres Schaugepränge. Er umgab
sich auch nicht wie die andern Fürsten mit Franzosen und Italienern; er schickte nicht
fremde Grafen und Marquis, wie man damals zu tun pflegte, als seine Gesandten an
fremde Höfe, weil er behauptete, „zu feinen Geschäften habe er Deutsche genug und ein
zierliches Kompliment in französischer und italienischer Sprache an einem fremden Hofe ab-
legen zu lassen, fei des Geldes nicht wert, welches er den Fremden geben müsse".
Die derbe Unwissenheit des Königs und fein Haß gegen Wissenschaft wird dadurch
entschuldigt, daß Gelehrsamkeit und Wissenschaft zu feiner Zeit dem Leben ganz fremd geworden
waren. Wohin er blickte, sah er in Büchern nur das Abgeschmackte der deutschen Gelehr¬
samkeit und der unsinnigen Zitiertout. Er wolle, sagte er, von den Leuten, die in dreißig
Sprachen Verse machten und alle Bücher, die über die verschiedenen Teile der Wissenschaften