Kardinal Fleury. Verschwendung Ludwigs XV.
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Erhaltung und Regierung so weitläufiger Länder ungeheuere Kosten verursachte. Jedes
Kriegsjahr hatte die Engländer volle sechzehn Millionen Pfund Sterling gekostet, die Natio¬
nalschuld war von 74 */« auf mehr als 146 ^2 Millionen gestiegen. Nach dem Frieden
kostete es noch eine Summe von drei Millionen, bis auf den neuerworbenen Inseln den
französischen Grundbesitzern ihre Besitzungen abgekauft und die dortigen Niederlassungen er¬
giebig würben. Die ostindische Kompagnie, die aus wenigen englischen Untertanen bestand,
besaß in kurzer Frist ein Reich von mehr als fünfzehn Millionen Einwohnern, größer und
volkreicher als Großbritannien selbst, und bezog jährlich achtzehn Millionen Taler ohne das,
was ihre Generale und Statthalter an ungeheueren Reichtümern aus Indien fortschleppten.
England hatte mit dem siebenjährigen Kriege eine Höhe erreicht, von der es, wie die Römer
nach dem zweiten punischen Kriege, nur mehr zu seinem Verfalle oder zu neuen Eroberungen
fortschreiten konnte.
Der Äof Ludwigs XV.
Die ersten Zeiten der Regierung Ludwigs XV. waren nicht ohne Segen für Frankreich
Des Königs Privatleben an der Seite seiner edlen Gemahlin, einer Tochter des vertriebenen
Polenkönigs Stanislaus Leszvzynski, war wohlgeordnet und rein, die Staatsregierung den
besten Händen, dem Kardinal Fleury, anvertraut. Mäßigkeit, Sparsamkeit, Ordnungsliebe
und friedfertige Politik bezeichnen die Hanptzüge des persönlichen Charakters des Kardinals
und seiner Verwaltung. Fleury strebte den gesunkenen Wohlstand zu heben, Handel, Acker¬
bau, Industrie und Wissenschaft zu fördern. Er starb nach 17jähriger Wirksamkeit 1743.
Zn seinem tiefen Schmerze hatte er es noch erleben müssen, wie in den Sitten des Königs
eine große Umwandlung vor sich ging. Ludwig war infolge systematischer Verführung seiner
Gemahlin untreu geworden und verfiel nun nach und nach in die schändlichsten Lüste. Nach
dem Tode des Kardinals Fleury erklärte er seinen Entschluß, selbst regieren zu wollen. Aber
schon nach wenigen Tagen wurde er der Kabinettsarbeiten wieder überdrüssig. Fest und ver¬
ständig, wenn es die Behauptung seiner Königsrechte galt, vergaß er in den schmählichen
Banden der Wollust seine Pflichten gegen das Volk und verschwendete nicht nur an Buhle-
rinnen die Einkünfte des Staates, sondern gestattete ihnen auch Teilnahme am Ministerrate,
ja, überließ ihnen gewissermaßen die Zügel ber Herrschaft. So begann eine der unglücklichsten
Perioden der Geschichte Frankreichs, welche die Revolution vorbereiten half.
Nur den kriegerischen Sinn seiner Ahnen schien Ludwig nicht gänzlich zu verleugnen.
Um ben währenb bes österreichischen Erbfolgekrieges wieberholt geschlagenen Truppen wieber
Mut einzuflößen, hielt ber Kriegsminister es für nötig, daß der König sich selbst an die
Spitze des Heeres stellte. Ludwig ging zu dem Ende (am 3. Mat 1744). nach ben Nieber-
lauben unb nahm an ber Eroberung einiger Plätze unb einem Zuge nach Elsaß teil. In
ber Tat wirkte biese Änberung so günstig auf bte Nation, baß nicht nur bte Truppen feit--
bem Siege errangen, sonbern auch bte Bürger ben Druck ber Kriegssteuern willig ertrugen
unb ihren König, so schlecht er sich auch um sie verbient gemacht hatte, vergötterten. Dies
zeigte sich besonbers, als eine plötzliche Krankheit zu Metz bas Leben bes Königs bedrohte.
Die Pariser liefen unaufhörlich nach der Post, nach dem Schlosse unb in bie Häuser ber
Vornehmen, um Nachrichten über bas Befinben bes Königs zu erfahren, unb alle Kirchen
waren voll von Untertanen, bie für fein Leben beteten. Die gütige Königin, obgleich tief
gekränkt, wollte nicht bie letzte fein unter ben vielen, bie ihm ihre Liebe bewiesen. Sie borgte