Full text: Charakterbilder aus der Geschichte der Apostasie der Völker (Band 3)

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Ländern, war auch Protestant, aber ein feuriger, kluger und hoch¬ 
strebender Mann. Ganz im stillen hatte er schon ein Jahr vorher 
mit dem Kaiser ein Bündnis geschlossen und von ihm große Verheißungen 
erhalten; aber die schmalkaldischen Fürsten und sein eigener Vetter 
Johann Friedrich ahnten nichts davon. Als Johann Friedrich hinaus 
nach Bayern zog, übergab er daher dem Moritz seine sämtlichen Länder, 
daß er sie beschützen sollte, und Moritz versprach ihm auch seinen 
Schutz. Wie erschrak nun jetzt der arme, getäuschte Kurfürst, als er 
fern von seinem Lande hörte, daß sein Vetter im Namen des Kaisers 
die ernestinischen Besitzungen feindlich behandle und ein Stück nach dem 
anderen erobere! Hätte er sich nur nicht irre machen lassen! Wäre er 
bei seinen schmalkaldischen Genossen geblieben und hätte mit diesen den 
Kaiser gedemütigt, dann würde Moritz gewiß von selbst zu seiner Zeit 
das Eroberte wieder haben herausgeben müssen. Aber soweit sah der 
kurzsichtige Kurfürst nicht. Er zog vielmehr sein bedeutendes Heer 
sogleich von der Donau fort, ließ die Schmalkalduer allein und sehr ge¬ 
schwächt dem Kaiser gegenüberstehen, und eilte in Sturmmärschen nach 
Sachsen. Das hatte eben der Kaiser gewollt! Nun war mau draußen 
den stärksten Feind los, das schmalkaldische Heer war zerstückelt, und 
der Kaiser konnte Spanier, Italiener und Deutsche zur Hilfe herbei¬ 
rufen. Mit diesen zerstreute er die, vor denen er sich kurz vorher noch 
hatte fürchten müssen. Unterdessen war Moritz durch den erzürnten Kur¬ 
fürsten freilich in arge Bedrängnis geraten; er hatte nicht bloß das 
Kurfürstentum vor ihm wieder räumen müssen, sondern Johann Friedrich 
brach nuu auch in das albertinische Sachsen ein und hätte vielleicht seinen 
jungen Vetter ganz daraus vertrieben, wenn er sich nicht allzulange 
mit der vergeblichen Belagerung von Leipzig ausgehalten hätte. Dadurch 
aber erhielt der Kaiser Zeit, zur Unterstützung seines Verbündeten herbei¬ 
zukommen. Das geschah im Jahre 1547. Moritz, der schlaue Kriegs¬ 
held,^ vereinigte sich mit dem heranziehenden Karl und dessen Bruder 
Ferdinand und ging mit ihnen über Leisnig und Oschatz auf dem noch 
heute danach benannten Kaiserwege nach der Elbe zu. Es war gerade 
am zweiten Sonntage nach Ostern, am 24. April, als die Kaiserlichen 
und Moritz mit seinen schwerbewaffneten Reitern an der Elbe ankamen. 
Der Kurfürst war, nachdem er die Meißner Elbbrücke abgebrannt hatte, 
auf dem anderen Ufer nach Mühlberg gezogen, schickte Fußvolk und 
Kanonen voran nach Wittenberg. Er wollte auch nach Wittenberg und 
glaubte nicht, daß der Feind über den Fluß herüber könne, besuchte 
darum ruhig die Vormittagskirche. Dort erhielt er plötzlich die unglaub¬ 
liche Nachricht, der Feind mache Anstalt über den Fluß zu gehen, ließ 
sich aber dadurch in seiner Andacht nicht stören. Allein ein verräterischer 
Müller hatte den Reitern des Herzogs Moritz eine seichte Furt in der 
Elbe gezeigt; sie waren, ehe man wußte woher, aus dem rechten Elb¬ 
ufer und setzten sogleich dem davoneilenden Johann Friedrich nach. Auf
	        
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