Full text: Das Altertum (Bd. 1)

180 Altertum. 
War wie Marius vor allem ein tüchtiger Soldat, geschickt, übernommene 
Aufgaben mit Glück zu lösen, aber nicht, hohe Ziele selbständig sich zu 
stecken und selbständig zu erreichen. In kriegerischem Mut, soldatischer 
Gewandtheit, persönlicher Tapferkeit unübertroffen, beschämte er zugleich 
durch sein mäßiges Leben bei großem Reichtum die schwelgerischen Op- 
timaten seiner Zeit, aber die höheren Eigenschaften, mit denen große 
und dauernde Erfolge errungen, verlebte Staatsordnungen gestürzt, neue 
gegründet werden, fehlten ihm durchaus. Er war hart, selbstsüchtig uud 
ohne Milde, „versteckter," wie ein späterer Römer von ihm urteilte, 
„nicht besser, als Marius oder Sulla." Auch als großen Feldherrn be¬ 
währte er sich nicht, als die-Zeit der Prüfung, als d.er wirklich Große 
über ihn kam, und daß er als Staatsmann so gänzlich unselbständig 
und unfähig war, war die Klippe, an der fein Leben strandete, wie dagegen 
Cäsars Sieg eben darauf beruhte, daß er Feldherr und Staatsmann zu¬ 
gleich war und das eine immer durch das andere ergänzte. — 
XXVI. 
Gajus Julius Cäsar. 
(Th. Mommsen). 
Der erste Alleinherrscher über das ganze Gebiet römisch-hellenischer 
Civilisation, Gajus Julius Cäsar, stand im sechsundfünfzigsten Lebensjahr 
(geb. 12. Juli 102), als die Schlacht bei Thapsus, das letzte Glied einer 
langen Kette folgenschwerer Siege, die Entscheidung über die Zukunft der 
Welt in seine Hände legte. Weniger Menschen Spannkraft ist also auf die 
Probe gestellt worden wie die dieses einzigen schöpferischen Genies, das Romf 
und des letzten, das die alte Welt hervorgebracht und in dessen Bahnen 
sie denn auch bis zu ihrem eigenen Untergange sich bewegt hat. Der Sprö߬ 
ling einer der ältesten Adelsfamilien Latiums, welche ihren Stammbanm 
auf die Helden der Ilias und die Könige Roms, ja auf die beiden Na¬ 
tionen gemeinsame Venns-Aphrodite zurückführte, waren seine Knaben- 
nnd ersten Jünglingsjahre vergangen, wie sie der vornehmen Jugend 
jener Epoche zu vergehen pflegten. Auch er hatte von dem Becher des 
Modelebens den Schaum wie die Hefe gekostet, hatte recitiert und de¬ 
klamiert, auf dem Faulbett Litteratur getrieben und Verse gemacht, 
sich einweihen lassen in alle Rasier-, Frisier- und Manschettenmysterien 
der damaligen Toilettenweisheit, sowie in die noch weit geheimnisvollere 
Kunst, immer zu borgen und nie zu bezahlen. Aber der biegsame Stahl 
dieser Natur widerstand selbst diesem zerfahrenen und windigen Treiben; 
bei Cäsar blieb sowohl die körperliche Frische ungeschwächt wie die Spann¬ 
kraft des Geistes und des Herzens. Im Fechten und im Retten nahm
	        
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