10 Neuere Zeit.
hätten. Endlich durften sie, das weite wissenschaftliche Gebiet durch¬
musternd und überall Pfade erblickend, die sie selbst gefunden oder
wenigstens geebnet und erweitert hatten, von einer vollkommenen Blüte
des geistigen Lebens reden und das stolze Gefühl in sich nähren diese
durch ihre Thätigkeit erzeugt zu haben.
~icse dritte Periode des Humanismus, die als Blütezeit der huma¬
nistischen Bewegung gilt, ist zeitlich die kürzeste. Sie hat weder einen
deutlich erkennbaren Anfang, noch ein scharf abgegrenztes Ende; ihre
Anfänge verschlingen sich, oft bis zur Unkenntlichkeit vermengt, mit dem
-lusgang der zweiten Periode; ihr Ende ist noch weniger deutlich er¬
kennbar, wenn man nicht den Tod des Hauptführers Hutten als einen
äußerlichen Abschluß annehmen will; der Humanismus wird abgelöst
durch die Reformation.
II.
Der Reichstag zu Worms und der Aufstand Zickingens.
(I. B. Weiß.)
Der Verlauf der reformatorifchen Bestrebungen hing wesentlich von dem
Verhalten des neuen Kaisers ab, deshalb waren alle Blicke aus Karl V.
gerichtet. Die Partei der Bewegung versprach sich viel Gutes, bald vom
jungen Kaiser, bald von seinem Bruder Ferdinand, von ihrer reichen
Bildung, von ihrer Verehrung für Erasmus. Hutten hatte schon srüher
eine Reise nach Brüssel unternommen, jedoch keinen Zutritt zu Ferdinand
erlangt: bald hieß es bei den Gönnern der Reformation, von Karl sei
nichts zu hoffen, er fei zu sehr von den Anhängern des Alten umlagert;
daun faßte man doch wieder die Hoffnung, der Kaiser werde sich an die
Spitze der religiösen Bewegung stellen und mit Rom brechen — war
doch selbst der Erzbischof von Mainz einer Schwächung der päpstlichen
Macht nicht abgeneigt und begünstigte er vielleicht darum Hutten, weil
er hoffte, Haupt einer deutschen Nationalkirche zu werden. Allein Karl
war einmal in streng kirchlicher Richtung erzogen, dann schwor er bei
seiner Krönung am 23. Oktober 1520 zu Aachen feierlich, die Kirche zu
schützen und dem Papste die gebührenden Rechte zu wahren; hätte ihn
all dav nicht gehemmt, so hatte er doch damals Rücksicht zu nehmen aus
den Papst und den eben beginnenden Kampf mit Frankreich, dessen Haupt¬
schauplatz Italien werden mußte. Andererseits waren ihm die religiösen
llmuhen in Deutschland unbequem wegen seines letzten und größten
Planes, wie er denn 1524 an seinen Bruder Ferdinand schreibt: „Du