162 Neuere Zeit. 
XXI. 
Die Ursachen der stanz ö st sch en Revolution. 
(L. Hausier.) 
Das Königtum hatte in Frankreich trotz seiner Gebrochenheit in 
Ludwigs XIV. letzten Jahren einen Rest von äußerer Würde nicht ver¬ 
leugnet. Die Erinnerung an die frühere Größe ließ diesen Monarchen in 
den Augen der Nation nie völlig sinken, aber sein Nachfolger Ludwig XV. 
offenbarte als Fürst eine Haltung, die das Königtum in den Kot schleifte, 
der jedes Gefühl politischer, sittlicher, persönlicher Würde abhanden ge¬ 
kommen war. Ein Königtum mit einem Regiment, das den Wohl¬ 
stand des Volks, die Ehre der Nation, die Macht des Staates ver¬ 
schleuderte cm königliche Günstlinge und deren Kreaturen, war wahrlich 
geeignet, die Erbitterung jedes Volkes, wie vielmehr des französischen, 
dem Überschäumen nahe zu bringen. Und wie war mit dem Königtum 
die Umgebung des Thrones, der Adel und die Geistlichkeit herabgekommen! 
Zu den guten Zeiten Ludwigs XIV. waren die großen Adelsgeschlechter 
würdig vertreten gewesen, die Turenne, Luxembourg, Eondä waren große 
Männer, die durch ihre Verdienste ihren Adel recht eigentlich erst geadelt 
hatten. Davon war jetzt nichts mehr zu sehen, selbst nicht an den leib¬ 
lichen Nachkommen jener Geschlechter. Auch in diesen Schichten hatten 
der Verfall, die Entwürdigung und zugleich die persönliche Nichtigkeit 
furchtbare Fortschritte gemacht. 
Dasselbe galt vom Klerus. Das abgelaufene Zeitalter hatte Männer 
wie Boffuet, Mafsilon, Bourdaloue, Fenelon u. ct. hervorgebracht, auf 
die die Nation noch jetzt stolz ist. Wo waren im 18. Jahrhundert die 
Bischöfe, die auch nur einem von diesen vergleichbar gewesen wären? 
Die Männer, die in diesem Stande etwas bedeuteten, die Sieyes und 
Talleyrand, hatten weder den Wunsch noch den Anspruch, als Geistliche 
sich Unsterblichkeit zu sichern. Alles, was am Ende des 17. und Anfang 
des 18. Jahrhunderts noch imposant und würdig dagestanden hatte, war 
dahin vom König und den Pairs des Reiches bis zu den Bischöfen, und 
die letzten zwanzig Jahre der Regierung Ludwigs XV., namentlich die 
Zeit vom siebenjährigen Kriege bis zum Tode des Königs, waren wie 
darauf berechnet, die Stimmung des Murrens, der frondierenden Oppo¬ 
sition, zu einer tiefen, sittlichen Entrüstung zu steigern. Eine kriegerische 
Nation kaun Niederlagen schwer, Schmach und Entehrung nie verzeihen. 
Darum sagte Mirabeau, der bedeutendste Führer der Revolution in 
ihrem ersten Stadium, die Schmach von Roßbach habe dem König¬ 
tum den Hals gebrochen; der siebenjährige Krieg hatte Frankreich seine 
Kolonialmacht gekostet, noch mehr, die Ehre der französischen Waffen war
	        
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