256 Neuere Zeit. 
Und doch mangelte diesem glänzenden Geiste, der so viele bedeutende 
Männer dämonisch anzog, das ursprüngliche schöpferische Vermögen und 
damit das Geheimnis aller Menschengröße, die innere Einheit. In der 
reichen Fülle seiner Gaben war keine von genialer Mächtigkeit, keine, 
welche die anderen alle beherrscht und dem ganzen Leben eine gerade 
Bahn gewiesen hätte. Nicht wie ein Erzbild, aus vielen Metallen in 
eines verschmolzen, erscheint sein Charakter in dem Spiegel der Welt¬ 
geschichte, sondern wie ein kunstvoll zusammengefügtes Mosaikgemälde. 
Darin lag die Herrschergröße der Hohenzollern seit dem Großen Kur¬ 
fürsten, daß sie alle, die großen wie die kleinen, einfache Menschen 
waren, die in dem Wirrwarr der deutschen Dinge ein klar erkanntes Ziel 
mit zäher Ausdauer verfolgten: — denn auch in Friedrichs des Großen 
zwiegeteiltem Geiste war doch der deutsche Staatsmann unvergleichlich 
stärker als der französische Schöngeist. Jetzt zum ersten Male erschien 
auch in diesem Fürstenhause ein widerspruchsvoller problematischer 
Charakter, dem das tragische Schicksal beschickn war, sich selber und 
der Welt ein Rätsel zu bleiben, seine Zeit zu verkennen und von ihr 
verkannt zu werden, eine echt deutsche Natur, leider, der die Überfülle 
der Gedanken die Schnellkraft des Entschlusses lähmte, ein Fürst, fähig 
die höchsten Erwartungen zu erregen und doch keiner ganz zu genügen. 
Für seine wissenschaftliche Bildung war mit Umsicht gesorgt worden; 
Niebnhr hatte ihn in die Staatswissenschaft, Wolzogen in die Kriegs¬ 
geschichte eingeführt. Doch keiner seiner beiden Erzieher, weder der milde 
Theologe Delbrück noch späterhin der höfische Ancillon, hatte vermocht, 
den eigenwilligen Sinn des Prinzen zur Selbstbeherrschung zu zwingen. 
Nicht als ob er den gemeinen Versuchungen des Hofes je erlegen wäre, 
er blieb sein lebenlang nicht nur sittenstreng, sondern auch innerlich 
rein, durch und durch ein Idealist, mit allen seinen Sinnen den ewigen 
Gütern des Lebens zugewandt. Was ihm fehlte, war die Sammlung 
des Geistes, die dem Reichbegabten am schwersten erreichbar, doch auch 
für ihn eine Vorbedingung alles Schaffens bleibt. Wie ein Schmetter¬ 
ling flog sein Geist von Blume zu Blume über die weiten Auen des 
idealen Genusses. Nie war er glücklicher, als wenn ihn ein „göttlicher 
Sommernachtstraum" umfing, wenn er von Hellas träumte oder von 
der ewigen Stadt oder von der Einheit der allgemeinen evangelischen 
Kirche; dann malte er sich die Bilder seiner Sehnsucht in glühenden 
Farben aus, bis er Traum und Wirklichkeit kaum noch unterscheiden 
konnte. Als er zum ersten Male nach Rom kam, fühlte er sich alsbald 
wie daheim; so leibhaftig hatte er die Amphitheater, die Obelisken und 
Dome schon in seinen Träumen gesehen. Einem so vielseitigen, so unstät 
in die Weite schweifenden Geiste lag die Gefahr des Dilettantismus sehr 
nahe, und wie so viele Dichter der romantischen Schule mehr geistreiche
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.