Gindely: Die Heeresverhältnisse zur Zeit des dreißigjährigen Krieges. 85
ihren Männern, und diese verlangten nach ihren Frauen, weil sie ihre
Hemden, Schuhe und sonstigen Sachen mit sich trugen, und so mußte
zuletzt der Oberst seine Absicht ausgeben. Später vermehrte sich der
Troß durch die Zahl der sich mehrenden Kinder ins Unglaubliche, so
daß man in den letzten zehn Kriegsjahren den Troß auf das Drei- und
Viersache der kämpfenden Truppenzahl veranschlagen muß. Die Sol¬
datenfrauen wuschen, kochten und verrichteten überhaupt ihrem Manne
alle Dienste, schleppten auf dem Marsche die Kinder und alle Gerät¬
schaften mit, die nicht auf dem Wagen fortgebracht werden konnten,
und beteiligten sich, so oft sich die Gelegenheit bot, an der Plünderuug
der umwohnenden Bauern und Bürger. In dieser Beziehung verübten
sie die frechsten Gewaltthaten; keine Truhe, keine Kiste war vor ihnen sicher,
und wenn sie von einem Quartier ins andere zogen, mußten die Geplün¬
derten ihre Pferde hergeben, um die ihnen geraubten Gegenstände weiter
zu fahren. Alle Schlauheit der Bauern und Bürger reichte nicht hin,
um ihre Ersparnisse vor der Spürnase der Soldaten zu schützen; was
nicht an unzugänglichen oder völlig verborgenen Orten aufbewahrt wurde,
geriet in ihre Hände, so daß die Beraubten oft meinten, nur Zauberei
könne das Versteck verraten haben. Die Grausamkeiten, welche die Räuber
au ihren Opfern verübten, waren so haarsträubend, daß die alten Chro¬
nisten selbst von den Hunnen, Avaren und Mongolen nichts Ärgeres
berichten. Sie schraubten die Steine von ihren Pistolen ab und zwängten
die Daumen der Unglücklichen an ihre Stelle, sie zerschnitten ihnen die
Fußsohlen und streuten Salz in die offenen Wunden, das sie dann von
Ziegen ablecken ließen, sie zogen ein Roßhaar durch die Zunge uud be¬
wegten es langsam auf und ab, sie banden ein mit Knoten versehenes
Seil um die Stirn und drehten es mit einer Kurbel immer fester zu.
War ein Backofen vorhanden, so drängten sie ihre Opfer hinein und zün¬
deten ein Feuer vor demselben an uud zwangen die Gequälten durch
dasselbe zu kriechen. Oft bohrten sie ihnen auch Löcher in die Knie¬
scheibe und gossen ihnen ekelhafte Flüssigkeiten in den Muud. Wenn die
Räuber auf diese Weise ihre Opfer durch die Folter zur Preisgebuug
der versteckten Habe genötigt hatten, ihre Raubgier befriedigt war, fo
zeigten sie sich vollends als Vandalen, indem sie dasjenige vernichteten,
was sie nicht mitschleppen konnten.
Als der Krieg auch bei den Bauern einige militärische Kenntnisse
verbreitet hatte, suchten sie bei der Nachricht von der Annäherung der
Feinde ihre Habe in Orte zu flüchten, deren Verteidigungsfähigkeit durch
die Kunst erhöht, oder deren Zugang verborgen gehalten wurde. So
flüchteten sie sich einmal bei der Annäherung der Feinde in einen
Acker von größerem Umfang, der mit Buchen umwachsen und außerdem
durch hohes Dorngebüsch gedeckt war, durch das man in das Innere