Full text: Karten und Skizzen aus der außerdeutschen Geschichte der letzten Jahrhunderte ([Bd. 5])

Ludwig XIV. 1643 (1661)-1715. Nr. 3. 
A. Ludwig dem Vierzehnten war vorgearbeitet worden durch 
3 grofse Männer: Heinrich IV. (Sully), Richelieu und 
Mazarin. 
1. Heinrich IV. (1589/1610) hatte, beraten von Sully, 
a. 1598 die 8 Religionskriege durch das Edikt von Nantes 
endgültig abgeschlossen; 
b. die wirtschaftlichen Kräfte des Landes entfesselt 
(Seidenbau, Ackerbau); 
c. durch Sparsamkeit Ordnung in den Staatshaushalt 
gebracht; 
d. die Politik gegen Habsburg (Clevescher Erbfolgestreit) 
in grofsem Stile wieder aufgenommen. 
2. Richelieu (1624/42) führte 
a. nach aufsen diese Politik im Mantuanischen (1629/30) 
und im dreifsigjährigen Kriege glücklich weiter und 
förderte 
b. im Innern die absolute Gewalt der Krone gegen die 
Hugenotten (la Rochelle 1628), die Beamten (Über¬ 
wachung durch Intendanten) und den hohen Adel 
(Orleans gedemütigt, Cinq-Mars hingerichtet). Auch 
mehrte er den Glanz des Reiches durch Stiftung der 
academie francaise. 
3. Mazarin (1642/61) setzte Richelieus Politik, vielfach auf 
die Künste der Diplomatie sich stützend, erfolgreich fort. 
Als 1648, trotz des Schlusses des 30jährigen Krieges, der 
Steuerdruck nicht nachliefs und, vom Kardinal v. Retz 
(Gondi) geführt, die Pariser Fronde sich erhob, bestätigte 
er zunächst die Rechte des Parlamentes und verband sich 
sogar mit der Fronde gegen ihren Bekämpfer, den stolzen 
Conde7 mufste dann aber, er der Ausländer, vor dem 
Bunde beider (Fronde und Conde) in das Ausland 
(Brühl bei Köln) flüchten. Von hier aus überwand der 
schlaue Diplomat seine Feinde, indem er die Sache des 
Königs von der ihrigen zu trennen wufste und Conde 
durch Turenne in der Vorstadt St. Antoine besiegen 
liefe. Condes Flucht zu den Spaniern und Mazarins 
triumphierende Rückkehr zu dem dankbaren König be¬ 
deuten den endgültigen Sieg der Sache des Königs über 
Adel und Parlamente. — Im westfälischen Frieden 1648 
hatte Mazarin ebenfalls geschickt Frankreichs Interesse 
wahrgenommen; ebenso im Pyrenäenfrieden 1659. 
Die Verhältnisse aufserhalb Frankreichs waren damals, 
als Ludwig XIV. seine Regierung antrat, derart, dafs die 
Lage Deutschlands und ebenso die Spaniens zum Zu¬ 
greifen geradezu herausforderten. 
B. 1. Die Persönlichkeit Ludwigs XIV. Wie seine äufsere Er¬ 
scheinung, so war auch das Auftreten echt königlich, 
zugleich aber auch immer und überall an feste Formen 
gebunden. Die Etikette war nach spanischem Muster 
auf das strengste geregelt, so dafs z. B. das Zeremoniell 
ein anderes war in Versailles, ein anderes in Trianon, 
ein anderes wieder in Marly. Seine Herrschtalente be¬ 
standen in einem klaren Verstände, der u. a. immer die 
rechten Personen zu finden wufste, in einem sicheren 
Takte, der schnell das Rechte traf und oft Wissen und 
Kenntnisse ersetzte, und in einem energischen Willen, 
der über Schwierigkeiten und sittliche Bedenken leicht 
hinwegkam. — Ganz besonders war es seiner Stellung 
zum Volke vorteilhaft, dafs er die Eigenschaften und 
Schwächen des französischen Nationalcharakters: Herrsch¬ 
sucht, Prunkliebe, Devotion gegen die Kirche und Leicht¬ 
lebigkeit gegenüber den Frauen in ausgeprägtem Mafse 
besafs, so dafs er als glänzende Verkörperung des 
französischen Wesens gelten konnte. — Vermählt war 
Ludwig in erster Ehe mit der gutmütigen Spanierin 
Maria Theresia, in zweiter mit der bigotten Witwe des 
witzigen Dichters Scarron, der Frau v. Maintenon. — 
Mit Vorliebe hielt er sich in dem kostbaren und gro߬ 
artigen Schlosse von Versailles, sonst auch in Marly 
und Trianon auf. 
2. Staatsverwaltung. An der Spitze des Ganzen stand un¬ 
bedingt der König, der sich als den Zweck des Staates 
betrachtete (l’etat c’est moi). Wie er in richterlichen 
Sachen dem Parlamente mit Reitgerte und in Jagdstiefeln 
seinen absoluten Willen aufnötigte, so unterdrückte er 
auch sonst jeden Widerspruch. Die Begründung lautete 
einfach: car tel est notre plaisir. Auch auf kirchlichem 
Gebiete hatten sein Auftreten gegen die Hugenotten und 
seine Bemühungen für die gallikanische Kirche dieselbe 
despotische Quelle. Einen Premierminister wünschte er 
nicht, wählte sich aber ausgezeichnete Fachminister, so 
Colbert, General-Kontrolleur der Finanzen. Dieser 
brachte Ordnung in die Ausgaben (jeder Aufgabe besondere 
Fonds), verallgemeinerte die Steuern, die er gleichzeitig 
herabsetzte, überwachte strenger die Steuerpächter und 
ermöglichte durch das Merkantilsystem, das die heimische 
Industrie schützt und das Geld im Lande hält, bezsv 
in dasselbe hineinzieht, dafs dem Könige die reichsten 
Mittel zuflossen. Dieselben wurden nicht blofs für die 
grofsen Bedürfnisse des Hofes, für die Bekämpfung der 
Feinde und die Bestechung an fast allen fremden Höfen 
verwendet, sondern auch für vieles andere. Flotten 
wurden gebaut (die Kriegsflotte von 267 Schiffen war 
gröfser, als die englische), Kolonien angelegt in Ostindien 
und in Amerika (vom Lorenzstrom über die grofsen 
Binnenseen bis zur Mississippimündung), Häfen einge¬ 
richtet (Marseille und Dünkirchen werden Freihäfen, 
Brest und Toulon Kriegshäfen) und andere nützliche 
Anlagen gemacht, wie der Bau des Südkanals von 
Toulouse nach Cette. Einträgliche Erwerbszweige zog 
er in das Land (Venetianische Glasfabrikation, englische 
Strumpfwirkerei, flämische Tuchweberei). Besonders 
glücklich und schnell entwickelte er die dem Franzosen 
so zusagende Luxusindustrie (Seidenweberei, Gobelins). 
Nicht minder hervorragend wie Colbert waren die 
Minister Lyonne (Äufseres) und der vielgeschäftige Le 
Tellier (Inneres). Der rücksichtslose Sohn des letzteren, 
der Kriegsminister Louvois, bildete die Armee vollständig 
um, indem er den Offiziersstand in Kadettenhäusern 
heranzog, ihn später scharf überwachte und die Be¬ 
förderungen nur vom Könige ausgehen liefs. Machte er 
die Armee dadurch monarchischer, so wurde sie durch 
die neu aufkommenden Uniformen vom Bürgerstande 
strenger geschieden. Durch die Einführung des Bayonetts 
vereinigte er die Pike und das Gewehr. Fast alle mili¬ 
tärischen Kunstausdrücke für Würden, Waffen, Truppen¬ 
gattungen, Operationen sind seitdem französisch. — 
Vauban baute nach einem neuen System uneinnehmbare 
Festungen. Dem Willen des Königs verschafften aus¬ 
gezeichnete Feldherren, wie Condä, Turenne, Luxembourg, 
Catinat, Vendome draufsen Geltung. 
3. Künste und Wissenschaften. Besondere Anregung ge¬ 
wann die Baukunst (Mansard) aus der Aufführung so 
vieler Schlösser (Barockstil). Die Gartenkunst (Le Notre) 
ordnete sich, wie es die Anlagen in Versailles veran¬ 
schaulichen, mit ihrer steifen Regelmäfsigkeit der Archi¬ 
tektur vollkommen unter; dasselbe gilt von der Plastik 
(Girardon). Alle diese Künste aber dienten unmittelbar 
der Verherrlichung Ludwigs XIV. Zu seinem Ruhme 
wirkten auch in etwa der antikisierende Landschafts- und 
Historienmaler Poussin, der französische Rafael,und der 
stimmungsvolle, romantische Landschaftsmaler Claude 
Lorrain. Ganz unmittelbar aber arbeitete der theatralische 
Schlachtenmaler Lebrun für die Verherrlichung Ludwigs. 
— Die Dichtkunst genofs unter dem Schutze des Königs 
ihre goldene Zeit. Die Tragiker (Corneille, Racine) 
brachten trotz aller Unnatur und höfischen Zwanges 
(Lessing) in glänzender rhetorischer Sprache die Leiden¬ 
schaften des Herzens zur Darstellung; Moliere zeichnete 
in seinen Lustspielen wirkungsvoll die menschlichen 
Schwächen, wie den Geiz, die Heuchelei, die Einbildung. 
La Fontaine, bescheiden wie Geliert, verfafste Fabeln; 
Boileau, der französische Horaz und „Vater des guten 
Geschmackes,” Satiren und Oden. 
Nicht minder blühte die Prosa. Fenelon schrieb den 
Telemach, um dem Thronfolger die Pflichten des Regenten 
anschaulich zu machen. Der Kanzelredner Bossuet wollte 
durch seine (geschichtlichen) Werke die Hugenotten 
bekehren, und umgekehrt schrieb Pascal mit beifsendem 
Spotte gegen die Moral der Jesuiten (lettres provinciales). 
Die 1635 begründete acadämie francaise wurde durch 
diejenigen Institute erweitert, die die Sprachforschung, 
die Geschichte und die Naturgeschichte pflegen. 
4. Stellung zur Kirche. (Kluge Ergebung in die kirch¬ 
lichen Forderungen.) 
1682 Die von Bossuet eingegebenen 4 Lehrsätze der 
gallikanischen Kirche beanspruchten die Unab¬ 
hängigkeit der weltlichen Macht von Rom und die 
Beschränkung der päpstlichen Gewalt auf die geist¬ 
lichen Angelegenheiten; auch die Unterordnung der 
Päpste unter die Konzilien wurde gefordert. Als 
diese Sätze, die die Kirche in Frankreich auch von 
Ludwig abhängig machen sollten, die Anerkennung 
in Rom nicht fanden, wurden sie aufgegeben. 
In dem Streit der Jansenisten (Pascal) gegen 
die Jesuiten stand der König, der auch in Glaubens¬ 
sachen starre Einheit wollte, auf der Seite der 
1668 letzteren und erzwang den „Kirchenfrieden“. 
Aus demselben Grunde und auf Betreiben der 
Frau v. Maintenon, die zum Katholizismus über- 
1685 getreten war, wurde das Edikt von Nantes aufge¬ 
hoben. Viele, die auch durch die Dragonaden 
nicht bekehrt waren, flüchteten und brachten fran¬ 
zösischen Gewerbfleifs ins Ausland (Berlin). 
Ein Ausläufer dieser Bewegung war der blutige 
1701/6 Camisardenkrieg unter Cavalier in den Cevennen. 
C. Ludwigs XIV. Regierung gewann 
1. folgende Länder: 
1648 Das österreichische Elsafs, dazu den endgültigen 
Besitz von Metz, Toul u. Verdun. (Westfäl. Friede.) 
1659 Im Süden Roussillon, Cerdagne und Conflans, im 
Norden Artois. (Pyrenäenfriede.) 
1668 12 flandrische Städte, wie Lille und Tournay. 
(Aachener Friede.) 
1679 Die Franche Comte und weitere flandrische Städte, 
wie Cambray und Valenciennes. (Nymwegen.) 
1680/81 Reichsstädte, zumeist im Elsafs, durch die 
Reunionen, zuletzt auch Strafsburg. 
Somit wuchs Frankreich (abgesehen von den Kolonien) 
namentlich nach N. -O. und Osten bedeutend. Die übrig 
gebliebenen Enklaven, meist deutschen Reichsständen 
gehörig, auch das Herzogtum Lothringen, kamen ganz 
in die Hand Frankreichs und wurden von seinem guten 
Willen abhängig. 
2. Frankreichs Einflufs breitete sich über ganz Europa aus. 
Nicht blofs die Fürsten in ihren Residenzen suchten 
Ludwig XIV. nachzuahmen, auch die Gebildeten richteten 
sich in allem ä la mode Frankreichs ein. Sie kleideten 
sich nicht mehr altfränkisch, sondern modern, dinierten 
nach französischem Muster, amüsierten sich in gleicher 
Art und nahmen in allem, namentlich in der Sprache, 
französische Manieren und Allüren an. Ganz besonders 
galt diese Verwelschung von den Deutschen. 
3. Trotz allen Glanzes hinterliefs der grofse Monarch nach 
72jähriger Regierung seinem 5jährigen Urenkel eine 
bedenkliche Erbschaft. Das Land war entvölkert, über¬ 
schuldet und in den oberen Ständen sittlich verkommen. 
Es trieb augenscheinlich der Revolution entgegen. 
Antwerpen 
Dünkirchen 
(Freihafen) 
.Calais 
o Brüssel 
Aachen 
1868 
ournay 
Namur 
O ° i S Valencie'rfnes 
MF^ambray^A. 
Givet 
Mainz 
Dieppe 
Amiens 
Worms Qi 
Flankenthal o 
C, 
E»* DV.T 
>Rouen 
if Longw'y/’ 
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Aisne 
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^^Bitsch Wei>senbunf 
o ! . / 
o Reims 
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Epernay 
*'v£halons /* ^ 
X / Hrz. 
\ /Bar le 
Versailles 
Sischwefler 
Lunevillo \ 
rafsburg 
Fontainebleau 
Rennes 
'royes 
Orleans 
'ülhausen 
Vesoul ' 
Angers 
Tours 
Nantes 
Besancon 
Saumur 
iNevers 
Poitiers 
;la Rochelle 
Lochefbrt 
' '-N 'Turin 
Pigrierole 
'/ 1006 ztirück 
'.an-'Savoyen 
Bordeaux^ 
fo Avignon 
Montauban 
Nim es 
»Toulouse 
Bayonne 
, Marseille 
(Freihafen) 
Toulon. 
1—3 Aelterer Besitz. 
CZ] von hudwicf XJV 
h imiierworien- 
i-.-J noch frei,aberganz in 
Frankreichs Machtsphäre. 
Cerdagne
	        
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