Full text: Abriss der Geschichte des Mittelalters von der Völkerwanderung bis zum Westfälischen Frieden

§ 5. Das fränkisch-germanisch-christliche Kaiserreich etc. 15 
799 (d. i. Neujahr 800) in der Peterskirche krönte. Damit trat die 
Verquickung zwischen Staat und Kirche ein, welche dem Mittelaltei 
eigentümlich ist. Karl freilich räumte den Synoden nur eine be- 
rathende Stimme ein, er überwachte persönlich sowohl das Leben und 
die Bildung der Geistlichen, als auch das geistliche Leben der Ge¬ 
meinen, suchte das Schriftverständniss und auch den Kii cliengesang 
(Orgel) zu fördern, richtete Kloster- und Kirchenschulen ein, wobei 
ihm besonders Alcuin (aus York), Abt von Tours, behülflich war. 
Auch sammelte er die deutschen Volkslieder. 
Die Grenzen des Reiches sicherte Karl durch Marken: die 
spanische Mark erhielten die Westgothen unter fränkischer Hoheit, 
die räuberischen Avaren wurden, als ihr letzter Ring zwischen Donau 
und Theiss von Pipin 796 erobert war, vernichtet, und die Ostmark 
oder Markgrafschaft Osterland (Austria) zwischen Enns und Raab 
errichtet. Gegen die slawischen Sorben an der Saale und die Czechen 
in Böhmen diente die thüringische Mark (limes Sorabicus) zwischen 
Erfurt und Merseburg; weiter nördlich muss gegen die Wilzen und 
linkgelbischen Slawen (im Lüneburgischen) eine Mark errichtet wor¬ 
den sein, während die Obotriten (im Mecklenburgischen) den Franken 
befreundet waren. Es wird 805 als einer der 4 Stapelplätze des 
slawischen Handels Magadoburg gegründet. Im Norden errichtete 
Karl die transalbingische oder sächsische Mark gegen die Dänen, 
mit deren König Gottfried wiederholte Kämpfe stattfanden, bis 
schliesslich die Eider als Grenzfluss anerkannt wurde. — In den 
Marken waren, um sie stärker zu machen, Grafschaften vereinigt; 
sonst wurde über jeden einzelnen Gau ein früher vom Volke ge¬ 
wählter, jetzt vom Könige meist aus den Edelen des Gaues ernannter 
Graf gesetzt, welcher die Rechtspflege übte, nach altgermanischer 
Weise öffentlich und so, dass Jeder nach seinem Gesetz und von 
seines Gleichen (pares) gerichtet wurde, wobei den Gemeinfreien das 
Recht blieb, 12 Schöffen (scabini) zu wählen; der ausserdem die Ab¬ 
gaben erhob und wenn der König befahl, die bewaffnete Mannschaft 
des Gaues führte. So ging die öffentliche Regierungsgewalt an die 
Leute (Getreuen) des Königs über. Sie zu controliren dienten die 
Sendgrafen (missi regii oder dominici), ein geistlicher und ein welt¬ 
licher. Die Wehrverfassung ruhte auf dem Heerbann und dem 
Lehensgefolge. Zum Heerbann war jeder Freie persönlich verpflichtet, 
welcher 4 mansi (Manneswerke) oder Hufen Feldes besass, weniger 
Besitzende rüsteten zusammen einen Krieger aus. Bewaffnen und 
beköstigen musste Jeder sich selber. Diese Last brachte besonders 
in Neustrien viele dahin, ihr Freigut Mächtigeren als Lehen „auf¬ 
zutragen“, oder auch Hintersassen des Königs und dadurch coloni 
oder lazzeni d. i. Halbfreie zu werden. In den Gauversammlungen 
der obersten Getreuen am Hofe des Königs wurden die Vorlagen 
für die meist im Maifelde zusammentretenden Reichsversammlungen 
vorbereitet. Auf diesen erschien der ganze höhere Frei- und Lehens¬ 
adel geistlichen und weltlichen Standes, alle Bericht erstattenden Be¬ 
amte, die Abgeordneten der zinspflichtigen Völker. Die gemeinsamen
	        
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