ihnen schon deshalb nicht, weil die Mauern viel zu hoch und stark waren.
Sie belagerten daher auch nicht eigentlich die Stadt, sondern zogen nur
in der Umgegend umher, plünderten die Ortschaften und machten reiche
Beute. Das wollten sich aber die Trojaner, die auch tapfere Männer
waren, nicht ruhig gefallen lassen, brachen aus den Toren der Stadt
hervor und suchten das Lager der Griechen zu erstürmen. Ihre besten
Helden masten sich mit den trefflichsten Streitern der Griechen im Zwei¬
kampf. Besonders taten sich der wackere Äneas und der gewaltige Hektar,
der älteste Sohn des Königs Priamus, durch ihren Heldenmut hervor.
Aber etwas Entscheidendes richtete keiner aus; mihmutig zogen sich die
Trojaner hinter ihre festen Mauern zurück und kamen immer seltener
auf das Feld heraus, und so verflossen neun Jahre, ohne dast der Krieg
ein Ende nehmen wollte.
Im zehnten Jahre aber brach sogar zwischen dem mächtigen Aga¬
memnon und dem herrlichen Achilleus ein Zwist aus, der dem ganzen
griechischen Heere sehr unheilvoll wurde; und das kam so. Einst kehrte
Achilleus von einem Raubzug in der Umgegend zurück und brachte
unter anderm ein schönes Mägdlein als Beute mit. Wenn ein
Held einen solchen Streifzug unternommen hatte, so behielt er nicht
die ganze Beute für sich, sondern sie wurde nach dem gemeinsamen Rat
der griechischen Fürsten unter die besten der Helden verteilt. So bekam
diesmal der König Agamemnon, weil er der oberste Anführer des ganzen
Heeres war, das schöne Mädchen zugeteilt. Als nun Agamemnon darüber
sehr vergnügt war, kam plötzlich ein alter Mann zu ihm, das war der
Vater des Mädchens, ein Priester des Apollo. Der bat ihn unter vielen
Tränen und beweglichen Worten, er möge ihm doch sein liebes Kind
wiedergeben, bot ihm auch ein hohes Lösegeld dafür. Aber Agamemnon
fuhr den alten Mann barsch an und sagte, er habe auch in Aulis seine
Tochter Iphigenie hergeben müssen, und was dem einen recht sei, das
sei dem andern billig. Und als der Priester nicht aufhörte zu flehen,
ergrimmte Agamemnon dermaßen, dast er ihn mit drohenden Worten
aus dem Lager jagte. Da erhob der Priester weinend die Hände zum
Himmel und betete zu seinem Gott Apollo, dast er ihn rächen und ihm
seine Tochter wiederverschaffen möge. Und Apollo hörte die Bitte. Zornig
flog er vom Olymp hernieder und sehte sich, allen unsichtbar, abseits von
den griechischen Schiffen. Von hier aus schoß er mit seinem unfehlbaren
Bogen unter die Scharen der Griechen, und wen sein Pfeil traf, der wurde
augenblicklich krank und starb an der Pest. So tat Apollo neun Tage