Full text: Großes Lehrbuch der Geographie (Ausg. C)

30 
Die Gesteinshülle. 
Annahme kann im ganzen als abgetan gelten zumeist wegen der Massenhaftigkeit der 
gefundenen „Geschiebe" (s- S. 84 n. 379), der Schutthalden, die sich unzweifelhaft als 
Moränenschutt erweisen, und wegen der sich immer mehr häufenden Nachweise von deut¬ 
lichen Gletscherspuren, namentlich den „Gletscherschrammen" an den Gesteinen. So ist 
denn an ihre Stelle die jetzt ziemlich allgemein angenommene Vergletscherungs- 
(Glazial--) Theorie getreten. Danach waren nicht bloß alle Gebirge, die jetzt noch 
Gletscher tragen, sondern auch solche, die jetzt keine mehr besitzen, wie das Riesen¬ 
gebirge, in einer Weise vom Eise bedeckt, von der noch heute das im Durchschnitte 
2000 m mächtige Inlandeis von Grönland, das nach den heutigen klimatischen Be¬ 
dingungen dort nicht entstanden sein könnte, eine Anschauung gibt. Das Eis rückte 
dann, Lehm, Mergel und andere Geschiebe mit sich schiebend, in die umliegenden, tieferen 
Länder hinab. Das nord-amerikanische Inlandeis bedeckte eine Flüche von reichlich 
8 Mili, qkm, und seine Ausgangspunkte waren die damals viel höheren Gebiete des ö. 
Labradors, der Hudson-Bai und der Länder zwischen dieser und dem Mackenzie. Denn 
die Eiszeiten waren begleitet von einem außerordentlich starken Schwanken der Strand¬ 
linien, einem Sinken und nachfolgenden Wiederauftauchen der Länder, so daß z. B. in 
England die damalige Strandlinie 90 —120 in, in Schottland bis zu 150 m über der 
heutigen lag. Noch bezeichnender als das Sinken der Temperatur war für die Eiszeit das 
ungewöhnliche Wachsen der Niederschläge, eine „Pluvialperiode", die bewirkte, daß die heute 
zumeist einschrumpfenden Flachlandseen viel größere Flächen bedeckten, daß das Kaspische 
Meer mit dem Schwarzen Meer in Verbindung stand und das ganze Ghör in Palästina 
mit Wasser gefüllt war. Die Eiszeit herrschte jedoch nicht ununterbrochen, sondern war 
durch mindestens eine, zumeist aber zwei „Interglazial-Zeiten" unterbrochen, so 
daß von drei Eiszeiten mit einiger Sicherheit gesprochen werden kann, wobei dann 
aber der dritte Eisstrom nicht alle überhaupt vom Eise bedeckt gewesenen Länder getroffen 
hat. Daneben werden dann noch kleinere Vorstöße des Eises unterschieden. Das Klima 
der Jnterglazial-Zeiten war besonders dürr, und unter diesem Lckeppenklima sind ver¬ 
mutlich die großen Löß-Ablagerungen (s. S. 29) zusammengeweht. 
Die Gletscher-Geschiebe und Moränen in Norddeutschland sind zumeist baltischeu 
Ursprungs und rühren zum großen Teile aus den Granitgebirgen Süd-Schwedens her. 
Diese waren damals hoch genug, um dem Eise ein Gefälle zu verleihen, daß es das 
Becken der damals vermutlich nicht vorhandenen Ostsee durchpflügen, die beiden deutschen 
Landrücken, wenn auch mit zeitweiligem Aufstau, übersteigen und sich am Fuße der Mittel¬ 
gebirge emporbäumen konnte. Im S.O. ging es bis an den Fuß der Karpaten, in 
Rußland bis in die Gebiete des Don, des Dnjepr und der Kama, und nachdem es 
durch das Gebiet der damals nicht vorhandenen oder viel kleineren Nordsee gezogen war, 
ging es über weite Teile Großbritanniens, während kleinere Gletscher vom n. Schottland 
ausströmten. Die Spuren der alten Alpen gl et sch er breiten sich über das süddeutsche 
Alpenvorland und bis in das Po-Tiefland aus. Die Gletscher des Riesengebirges 
reichten bis stuf 800 m Meereshöhe herab. — Begonnen haben mag die Eiszeit vor 
vielleicht 100000 Jahren, ihr Ende wird nach den Anschwemmungen, die nach ihrem 
Aufhören angefangen haben, vor 15—16000Jahren angesetzt, das Alter des angeschwemmten 
„Bödeli", auf dem Jnterlaken steht, auf 20000. 
>Von den zahllosen Hypothesen, die eine so bedeutende Klimaschwankung erklären 
wollen, wie das Vorhandensein der Eiszeit sie bedingt, sucht ein Teil sie in der Excen¬ 
trizität der Erdbahn, da bei einem größeren Aphel (s. S. 602), das die Erde erreichen 
kann, die Wärmezufuhr durch die Sonne ganz erheblich vermindert werden mußte. Andere 
suchen die Ursache in der Veränderung des L>onnenkörpers, der bei dem Wechsel 
seiner Glutzustände Zeiten der Abkühlung durchgemacht haben soll. Eine etwas kühne 
Vermutung sucht die Eiszeit daraus abzuleiten, daß die Eigenwärme der Erde ihre 
Wirkung auf die Oberfläche verloren habe, die sie in einer früheren Periode besaß, 
während die Sonne noch nicht die Hitzegrade gewonnen hätte, mit denen jie nachher bei 
größerer Verdichtung ihres Aggregatzustandes das Eis entfernte und mit denen sie uns 
jetzt erwärmt.) 
§ 5. Der Vulkanismus ist fortwährend daran tätig, mit seinen Auswurf¬ 
stoffen die Erdoberfläche umzugestalten. Er äußert sich zunächst dadurch, daß eine 
Stelle der Erdrinde sich öffnet — sei es unter dem Meere, sei es auf dem Lande 
-— und durch einen Kanal oder eine Spalte glühende Massen aus dem Erdinneren
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.