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gürtet, das Kruzifix in der Hand, von Strapazen abgemagert und ver¬
wildert, so durchzog er auf einem Esel Italien und Frankreich und
schilderte in feurigen Worten die Noth der Christen und die Frevel der
Türken. Dem Papste brachte er ein flehendes Schreiben von dem
Patriarchen in Jerusalem, und dem Volke erzählte er, dass Christus
selber ihm die Befreiung des heiligen Grabes befohlen habe. Die Be¬
geisterung des gläubigen Volkes kannte keine Grenzen. Fast zerriss
man Peter sammt seinem Esel, um nur ein Andenken von ihm mit
heimzubringen.
3. Papst Urban II. stellte sich an die Spitze der Bewegung.
Auf einer Kirchenversammlung zu Clermout im südlichen Frankreich
riss er alle Herzen durch seine Rede hin. „Gott will es!" rief alles, und
Tausende hefteten sich ein rothes Kreuz auf die rechte Schulter, um als
Kreuzfahrer an den Kreuzzügen Theil zu nehmen. Ungeordnete Haufen
unter Walter von Habenichts und Peter von Amiens konnten
die Zeit nicht erwarten und brachen gleich nach dem Osten auf. Da sie
die Juden erschlugen und die Bauern beraubten, so wurden sie endlich
selber von dem Landvolke niedergemacht.
4. Gottfried von Bouillon (sp. Bujoug), der edle Herzog von
Lothringen, stellte sich an die Spitze des Kreuzheeres, das viel edle
Helden und wohl 1/2 Million Menschen zählte,, uud setzte nach müh¬
samen Märschen nach Kleinasien über. Hier hob die Noth erst an.
Hunger und Durst, Hitze und Seuchen, List und Schwert der Feinde
rafften Tausende hinweg, so dass der heiße Wüstensand mit Leichen be¬
deckt war. Nach großen Opfern wurden einzelne Festungen genommen,
so Antiochia; aber kurze Zeit nach der Einnahme wurden die Sieger
von einem türkischen Heere eingeschlossen und in die entsetzlichste Noth
gebracht. Plötzlich ward der gesunkene Muth der Belagerten wunder¬
bar gehoben durch Auffindung der heiligen Lanze, mit der Jesu Seite
durchbohrt sein sollte. Unter Gesang und mit Todesverachtung stürzten
sich die halbverhungerten Kreuzfahrer auf die Feinde und schlugen sie
in die Flucht. Durch den Libanon zog nun der Rest des stolzen Kreuz¬
heeres nach Süden und erblickte in der Morgendämmerung von Em-
maus' Höhe die heilige Stadt. „Jerusalem, Jerusalem!" riefen die er¬
schöpften Krieger mit Entzücken, sanken weinend nieder und küssten die
Erde, alle Mühsale vergessend.
5. Eroberung Jerusalems 1099. Aber die heilige Stadt war
stark befestigt und von 60,000 (Streitern vertheidigt. Mit ungeheuern
Anstrengungen schafften die Kreuzfahrer, kaum halb soviel an Zahl,
Belagerungsmaschinen, besonders bewegliche Türme, herbei. Zwei
Tage wurde mit beispielloser Tapferkeit gestürmt, aber erfolglos. Da
plötzlich glaubten die Kreuzfahrer auf dem Oelberge einen Ritter in
leuchtender Rüstung zu sehen. „Gott sendet den Erzengel Michael zu
Hülfe!" rief man sich zu, und die Begeisterung ward unwiderstehlich.