46 Mitteleuropa,
Das Karpatenland.
XII. Die Karpaten.
Rings umgeben von Tiefebenen bestehen die Karpaten ans zwei
großen, fast quadratisch gestalteten Gebirgsinseln, dem nord-nngarischen
und dem siebenbürgischen Berglande, von denen jenes die Donau bei
Preßburg (dem Leitha-Gebirge gegenüber) und bei Waitzen (dem Ba-
kony^bäkonjl-Walde gegenüber), das andere diesen Fluß bei Orsova
[örschoftm] berührt. Diese beiden Gebirgsinseln sind verbunden durch den
Zug des karpatischen Waldgebirges oder die Wald-Karpaten. Diese
und die Fortsetzungen der Alpen umschließen die ungarische Tiefebene,
die in die kleinere oberungarische mit der Flußinsel Schütt, oberhalb
des Stromknies bei Waitzen, und in die niedernngarische, unterhalb
des Knies, zerfällt. In dieser geben die sandigen Strecken ein Bild von den
Steppen, die den w. Teil des asiatischen Festlandes kennzeichnen.
Bei der großen Sommerhitze, während deren nur wenig Regen fällt,
sind die Straßen der ungarischen Tiefebene, die wegen der Steinlosigkeit
der Ebene nicht gepflastert find, furchtbar staubig. Die Gewitter bringen
heftige Stürme, aber feine Niederschläge mit sich. Im Winter wehen eisige
Schneestürme über die weiten Flächen. Eiue ungemein reiche Pflanzenwelt
ziert die Flußüberschwemmungsgebiete, die von Riedwäldern, schwimmenden
Rohrwildnissen und undurchdringlichen Dickichten bedeckt sind.
Die Karpaten, 1300 km lang, sind erst in geologisch junger Zeit ent¬
wickelt. Sie sind ein Faltengebirge wie die Alpen, als Küstengebirge an
dem Triasmeere entstanden, das die ö. Ebene bedeckte, und zumeist schroff
nach dieser Außenseite abfallend. Ihre Falten hemmen namentlich in den
Wald-Karpaten den Verkehr, so daß die Karpaten eine starke Völkerscheide sind.
Die großen Salzlager im N. bei Wieliezka swjelitschkaj uud Bochuia sind
in alten Vertiefungen vom Meerwasser aufgeschüttet worden, andere Salz-
lager finden sich in Marmaros [mamarojch], an der obersten Theiß, in der
Bukowina und in Siebenbürgen. Überhaupt siud die Karpaten durch große
Fülle von Bodenschätzen ausgezeichnet; Gold im siebenbürgischen Bihar-
Gebirge und int ungarischen Erzgebirge, hier auch viel Silber.
1) Das nord-ungarischc Bergland. In seiner Mitte zieht sich, 45 Km
lang, die Hohe Tatra (d. i. Vatergebirge) hin, eine große Masse aus Gneis
und Granit, die ein von Eismassen abgeschliffenes Gepräge zeigt. Die Gipfel
sind fast voll gleicher Höhe, so Gerlsdorfer Spitze 2660, Lomnitzer
Spitze 2630 m, die Wandungen steil. Gletscher finden sich nicht mehr,
wohl aber Eistäler und Schneefelder, die dem Ganzen besonders das Gepräge
des Hochgebirges geben. 115 kleine Seen, die sogenannten Meer au gen,
die über der Höhenlinie von 1600 m liegen, sind auf Gletfcherwirknng zn-
rückzuführen. Die Zirbelkiefer steigt nur bis 1650 m empor, das Krumm-
holz bis 1800, die Alpenmatten steigen noch 300 m höher, die Gipfel sind
tnrmförmig und kahl.
Die Hochgebirgsiusel der Hohen Tatra ruht auf einer Hochebene von
650 m Höhe, die von 4 Flüssen umrahmt wird und um die sich andere
Gebirgsfalten lagern. Den n. Halbkreis bilden die Kleinen Karpaten, die