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den Zugang zur irdischen Glückseligkeit. Man will ja den Grund 
zu manchen Christenversolgungen darin suchen, das; aus den Reihen 
dieses gelehrten Proletariats sich der Haß gegen alle Fremden, 
denen eine Wettbewerbung um die einflußreichen Stellen zugetraut 
wird, auf das furchtbarste entladen hat. 
Aus diesem Stolze auf die nationale Bildung und im Bewußtsein 
einer uralten Kultur entwickelt sich nun bei den Chinesen ein äußerst 
starkes Selbstgefühl, das sich namentlich auch ablehnend gegen die 
Mission des Christentums verhält. Der Wilde Afrikas kommt der 
höheren Kultur und Glaubenstiefe des Christentums empfänglich ent¬ 
gegen, der stolze, in sich kulturfertige Ostasiat zeigt sich leider sehr 
spröde gegen die Bekehrung. 
Jedenfalls bleibt der Russe Chinas gefährlichster Gegner, weil 
er eben am Amur unmittelbarer Nachbar ist und auf dem Landwege 
jederzeit große Truppenmassen vorschieben kann. Und wiederum die 
europäische Macht, die von einem siegreichen Vordringen des Russen- 
tums ebenso hier wie an der Grenze Indiens am meisten zu fürchten 
hat, ist die britische, die seit längerer Zeit sich die großen Vorteile 
der Handelsbeziehung und kommerziellen Beeinflussung Chinas fast 
ausschließlich zu wahren gewußt hat. Fast die Hälfte des chinesischen 
Außenhandels ist in Hongkong festgelegt. — Einen wirksamen 
Bundesgenossen sucht sich England in dem mächtig aufstrebenden 
Jnselreich der Japaner zu gewinnen, das in dem jüngsten Kriege 
mit China gezeigt hat, wie energisch das begabte Volk sich 
die europäischen Kulturgaben nutzbar zu machen verstand. Die 
Halbinsel Korea bildet zunächst noch in vielfacher Hinsicht sozu¬ 
sagen das Stoßkissen zwischen russischem und japanisch-englischem 
Einfluß. 
Und nun hat sich in unseren Tagen neben der russisch-slavischen 
Pfiffigkeit und Findigkeit und der egoistischen Habgier des Eng¬ 
länders hier in Nordchina noch als dritter Bewerber um Einfluß 
und Handelsvorteil die solide Gründlichkeit des Deutschen ein¬ 
gefunden, der sich in Kiautschou auf der Halbinsel Schantung fest¬ 
gesetzt hat. Deutschland wollte zunächst nur eine Eingangspforte für 
seine Handelsbeziehungen haben und hoffte in Schantung, das ja vor 
Shanghai und Hongkong die Gunst des Klimas voraus hat, durch 
Eisenbahn und Kohlenbergbau solide Grundlagen für die Lebens¬ 
fähigkeit der neuesten deutschen Kolonie zu finden. 
Da ereigneten sich die Schreckensthaten vom Juni 1900, 
und Deutschland, das bis dahin den näher beteiligten Nationen 
den Vortritt überlassen hatte, übernahm jetzt, um den frevelhaften 
Mord seines Gesandten zu rächen, auf einmal die Führung in dem 
wuchtigen Kampfe gegen das im Zustande der völligen Anarchie 
befindliche chinesische Reich. Somit stehen wir am Vorabend großer
	        
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