I. Zeitalter der Entstehung und Entwicklung der Großmächte. 17. u. 18. Jahrh. 31
drücker ihm bekannt war. Aber er beging im Felde denselben Fehler,
dessen sich Karl XII. beim Einmarsch in Rußland schuldig gemacht hatte,
er entfernte sich zu weit von den Grenzen des eigenen Landes; seine
Rückzugslinie wurde von einem feindlichen Heere durchschnitten, und er
wurde am Pruth eingeschlossen. Er hätte die Waffen strecken müssen,
wenn ihn nicht der Großwesir gegen ein großes Lösegeld freigegeben
hätte. Er schloß sogar mit den Türken einen verhältnismäßig günstigen
Frieden. Karl XII. wurde darin freie Rückkehr nach Schweden zuge-
standen. Da er aus diese Bedingung nicht einging, wurde er nach
Demotika bei Adrianopel übergeführt.
August II. hatte inzwischen den König Stanislaus wieder Vertrieben
und Polen zurückerobert. Der Krieg bedrohte jetzt die zum Deutschen
Reiche gehörenden Provinzen Schwedens. Da man das Reich vom Kriege
frei erhalten wollte, wurden sie im Haager Konzert für neutral erklärt.
Gegen diesen Beschluß legte Karl XII. von Demotika aus Protest ein,
darauf nahmen dänische Truppen die Bistümer Bremen und Verden
in Besitz.
1713 besetzte Friedrich Wilhelm I. von Preußen nach einem
Vertrage mit Rußland Stettin. 1714 verließ Karl XII. die Türkei
und gelangte auf seinem berühmten Ritt durch Ungarn und Deutsch¬
land über Wien, Nürnberg, Braunschweig nach Stralsund. Als aber
die preußischen Truppen unter Leopold von Anhalt-Dessau Rügen
erobert hatten, mußte Karl diesen letzten Platz in Pommern aufgeben.
Der Krieg zog sich noch mehrere Jahre hin. Nachdem Karl 1718
seinen Tod in den Lausgräben vor Frederikshald in Norwegen gesunden
hatte, schloß sein Nachfolger Friedrich, aus dem Hause Hessen-Kassel,
den Frieden von Stockholm. Schweden trat Bremen und Verden an
Hannover ab, Vorpommern mit Stettin und den Inseln Usedom
und Wollin an Preußen und 1721 im Frieden zu Nystad Liv-
land, Estland, Jngermanland und Kamelien mit den Inseln Ösel
und Dagö an Rußland ab, es erhielt Finnland zurück.
Schweden hatte das Dominium maris Baltici verloren, von aus¬
wärtigen Besitzungen blieben ihm nur der nördliche Teil von Vorpommern
mit Rügen und Wismar.
D. Mitteleuropa 1720—1740.
Auf die stürmischen ersten Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts folgen
zwei andre, die eine gewisse allgemeine Ermattung zeigen; es ist die Zeit
des Gleichgewichts der europäischen Mächte.
§ 22. Österreich unter Karl VI. (1711—1740) und Frankreich unter
Ludwig XV. (1715—1774). Zwei Jahre nach dem Rastatter Frieden
griff Österreich in den Krieg Venedigs gegen die Türkei ein. Prinz
Eugen erfocht den Sieg bei Peterwardein und eroberte Belgrad. Im