22 Bewegung der Erde um die Sonne. §§ I3_i5.
mehr oder weniger schräg zur täglichen Umdrehung des Himmels
erfolgt, ferner, weil außerdem auch die Bewegung in der Ekliptik keine
ganz gleichförmige ist. Um diese Differenzen auszugleichen, rechnet
man im bürgerlichen Leben nicht nach wahren, sondern nach mittleren
Sonnentagen. Unsere Zeitrechnung entspricht somit der Bewegung
einer gedachten „mittleren Sonne", die auf dem Himmelsäquator von
Tag zu Tag um den gleichen Betrag fortschreitet, jedoch so, daß sich
ihr ganzer Umlauf genau ebenso wie bei der wahren Sonne innerhalb
eines tropischen Jahres (§ 12) vollzieht. Ein mittlerer Sonnentag ist
somit die Zeitdauer zwischen zwei aufeinander folgenden Kulminationen
dieser mittleren Sonne.
Hieraus ergeben sich für die gebräuchlichsten Zeitarten die folgenden
Definitionen:
Sternzeit ist die Zeit, die seit der letzten oberen
Kulmination des Frühlingspunktes verflossen ist; sie ist
somit gleich dem Stundenwinkel des Frühlingspunktes
(§ 5).
Wahre Sonnenzeit ist der Stundenwinkel der wahren
Sonne.
Mittlere Sonnenzeit oder kurz Ortszeit ist der Stunden¬
winkel einer gedachten mittleren Sonne.
Der Unterschied zwischen der mittleren und der wahren Sonnen¬
zeit (im Sinne: mittlere Zeit - wahre Zeit) heißt Zeitgleichung. Den
Sterntag und den mittleren Sonnentag pflegt man in je 24 Stunden
Stern- bzw. Sonnenzeit einzuteilen.
Die größten Beträge erreicht die Zeitgleichung im Februar (-f- 14 m 25 s)
und im November (—16m 30s). Mitte April, Mitte Juni, Anfang September
und gegen Ende Dezember ist sie gleich Null, so daß dann die von einer
Sonnenuhr angezeigte oder aus einer Sonnenhöhe berechnete wahre Sonnenzeit
mit der mittleren Sonnenzeit oder der Ortszeit des Beobachtungsortes über¬
einstimmt.
Zur Umwandlung von Sternzeit in mittlere Zeit, z. B. bei Zeitbestimmungen
aus dem Durchgange von Sternen durch den Meridian findet man in astrono¬
mischen Tafeln und Jahrbüchern für jeden Tag die Rektaszension der mittleren
Sonne, d. h. (§ 5) die Sternzeit im mittleren Mittag angegeben. Subtrahiert
man diesen Wert von der beobachteten Sternzeit, so erhält man die seit dem
vorangegangenen Mittag verflossenen Stunden, Minuten und Sekunden, aus¬
gedrückt in Sternzeit. Um diesen Zeitunterschied in mittlere Zeit umzuwandeln,
braucht man nur zu berücksichtigen, daß 365,2422 Sonnentage gleich 366,2422
Sterntage sind, daß also 24h Sternzeit 23h 56m 4s mittlere Sonnenzeit ent¬
sprechen. In ganz ähnlicher Weise kann umgekehrt mittlere Zeit in Sternzeit
umgewandelt werden.
Seit dem 1. April 1893 wird im Deutschen Reich nicht mehr nach Ortszeit,
sondern nach einer einheitlichen sog. mitteleuropäischen Zeit gerechnet. Dieselbe
entspricht der mittleren Sonnenzeit aller Orte, die 15° (lh) östlich von Green¬
wich, d. h. 6 m 25 s östlich von Berlin liegen. Ähnliche um volle Stunden gegen
die Greenwicher Zeit abweichende Normalzeiten sind auch bei allen anderen
Kulturstaaten in Gebrauch.
Nach internationaler Vereinbarung tritt bei dem Meridian 180° östlich und
westlich von Greenwich eine Änderung des Datums ein. Schiffe, die diesen
Meridian nach Osten oder nach Westen hin passieren, müssen somit im Schiffs¬
journal hier einen Tag auslassen bezw. einschalten. Um Unzuträglichkeiten zu