Kursus III. Abschnitt I. § 10. 17
besitzt auch eine hohe spezifische Wärme, so daß es sich im Sommer langsam erwärmt
und im Winter langsam erkaltet; außerdem sinken die erkalteten oberen Schichten
zu Boden, während das wärmere Wasser beständig von unten an die Oberfläche
steigt. Die Wärme der Luft hängt nicht von den Sonnenstrahlen ab, welche sie
durchläßt, sondern von dem mehr oder weniger erwärmten Wasser und der Erde,
auf welchen sie ruht. Die Nähe des Meeres bedingt also kühle Sommer und
milde Winter.
Das kontinentale Klima entsteht durch einen meist nebel- und wolkenfreien
Himmel; die Sonne kann ihre volle Wirksamkeit am Tage entfalten, so daß sich das
Festland in kurzer Zeit erwärmt; der schnellen Erwärmung folgt in der Nacht
und im Winter eine ebenso schnelle Erkaltung. Das kontinentale Klima wird
also durch heiße Sommer und kalte Winter charakterisiert.
Die verschiedene mittlere Jahrestemperatur von Orten, welche unter demselben Breiten-
grade liegen, wird durch die Temperaturen des Winters und Sommers oder durch das
ozeanische und kontinentale Klima bedingt.
Hamburg Barnaul Nikolajewsk
Mittlere Jahrestemperatur 4- 8,1 + 0,2 — 3,2° C.
Mittlere Wintertemperatur -j- 0,5 — 17,2 — 21,3° „
Mittlere Sommertemperatur -j- 16,4 + 17,6 -f- 14,9° „
Zur anschaulichen Darstellung dieser Verhältnisse dienen die Jsotheren und
Jsochimenen.
Die Jsotheren sind in Fig. 11 durch nicht punktierte Linien bezeichnet
(-j- 8, -|- 12, -(- 16 u. -j- 20); sie steigen vom westlichen Europa nach dem
Innern in nordöstlicher Richtung immer mehr an. — Die Jsochimenen werden
in Fig. 11 durch punktierte Linien angedeutet und zeigen im Gegensatz zu den
Jsotheren den umgekehrten Verlauf, indem sie sich im Innern des Kontinents
nach 8. senken. — Nach der Karte ergibt es sich also, daß das kaspische Meer
mit dem nordwestlichen Europa (Norwegen) einen gleich gelinden Winter hat
(— 4° n. 0°); dagegen stimmt die Sommerwärme am kaspischen Meer mit der
überein, welche im nordwestlichen Afrika herrscht (->- 20°).
Von weiterem Einfluß auf das Klima und somit auf die Vegetation ist der
Feuchtigkeitsgehalt der Luft, d. h. die Menge des als Regen, Tau,
Reif und Schnee zur Erde zurückkehrenden Wasserdampfes; doch sind
diese Einwirkungen nur lokaler Natur und haben nicht dieselbe Bedeutung für die
Pflanzen wie die Wärme.
Auf die Verbreitung der Pflanzen und Tiere und die menschlichen
Kulturverhältnisse übt nicht die mittlere Jahrestemperatur, sondern die mittlere
Sommer- und Winterwärme einen bestimmenden Einfluß aus. Das südliche England
besitzt so milde Winter, daß Myrte und Lorbeer im Freien ausdaueru; die
Sommer sind jedoch nicht heiß genug, um die Weinbeere zur Reife zu bringen.
Der Weinstock gedeiht vortrefflich am Rhein, und doch würde man hier Myrte
und Lorbeer nicht im Winter ungeschützt im Freien lassen dürfen. — Die Inten-
sität der Wärme in den langen Sommertagen bringt überaus bedeutende Wir-
kuugeu im hohen N. hervor. In Norwegen reifen Aprikosen, Walnuß und
Wein unter dem 60. und Johannisbeeren, Himbeeren und Erdbeeren noch unter
dem 70. °. Die Gerste reift in Kristiania in 55, im südlichen Schweden in 90,
Baenitz ck Kopka, Lehrbuch der Geographie II. 2