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eines Restaurant dient, innerlich einen traurigen, verfallenen Eindruck. 
Doch nur getrost die enge Treppe hinaus zu dem hohen Glaszimmer oder 
noch höher zu der freien, offenen Gallerte. 
Die Aussicht von Fourvwres ist eine der großartigsten, die ich über¬ 
haupt, nicht allein in Frankreich, kenne, und sie ist es, die den vollen 
Eindruck der gewaltigen, natürlichen wie geschichtlichen Scheidung gewährt, 
auf deren Grenze Lyon gleichsam liegt, jenes von Nord- und Südsrank¬ 
reich. Wo eilt das Auge in dem Ungeheuern Panorama wohl zunächst 
hin, als nach Osten zu jener von Wolkenschichten umlagerten, in scharfen 
Spitzen und gezackten Formen weithin gedehnten und allmälig niederstei¬ 
genden Alpenkette ? Eben erglänzt im Licht der Abendsonne der Schnee¬ 
gipfel des Montblanc, und das Fernrohr führt uns fast unmittelbar zu 
den scharfen Felsengräten, an die Schneeflächen, in die tief beschatteten 
Spalten des über 30 Meilen in gerader Linie entfernten Berges. Und 
weiter folgen wir dem Wechsel der Spitzen zum kleinen St. Bernhard, 
zum Mont Cenis, vor deren Reihe die dunkeln Kalkalpen bei Grenoble sich 
über einander aufbauen. Zwischen den Alpen und uns liegt eine ungeheure 
Ebene voll einzelner Weiler und Maulbeerbaumanlagen, durchschnitten von 
der schnurgeraden, nach Turin führenden Straße. Im Norden begrenzt sie 
die in vielfachen Windungen sich nahende Rhone. Mit frischer, nordischer 
Färbung blicken uns von Nordwest die grünen, weidereichen Gipfel des 
Montd'or und der ganzen das Loiregebiet abscheidenden Bergkette an, die 
im Südwest zum hohen Mont Pila sich gipfelt, und weiter schon an die 
schwarzgrauen vulcanischen Massen der nördlichen Sevennen sich anschließt. 
Welcher Reichthum der herrlichen Gärten, unterbrochen von Klostergebäu¬ 
den und Fortiftcationen, ist über die westliche Hochebene gebreitet, die wir 
erblicken! Aber unwillkürlich wendet sich das Auge dem Rhonelaus wieder 
zu, da ist die Brücke der Mulatiere, weiter tritt in einzelnen Spitzen der 
villenreiche, von Weinreben bedeckte, felsige Thalrand hervor, bis von 
beiden Seiten die Höhen das Thal verschließen. Dort liegt das nächste 
Ziel der Reise, dort in jenen Thalebenen, zwischen dem zackigen Gebirge, 
unter dem Grün des Maulbeerbaumes und der rebenumschlungenen Ulme, 
weiterhin des ernsten, einförmigen Oelbaumes ist das Südsrankreich, wo 
einst Griechen ein neues Hellas sich schufen, wo ein Julius Cäsar sich 
schon so heimisch und sicher fühlte, als jenseits der Alpen, wo die griechisch- 
römische Cultur eine Fülle von Werken schuf, völlig ebenbürtig in ihren 
Resten der Trümmerwelt Italiens. Dort liegen die seligen Thüler der 
Provence, von denen der Dichter singt: 
Ueppig blühend war't ihr immer, 
Aber eure reichste Blüthe 
War des Minneliedes Schimmer. 
Allerdings, diese Blüthe ist längst gewaltsam geknickt, die Strenge der 
römischen Kirchenzucht, der aufstrebenden, nordfranzösischen Monarchie, die 
verzehrende Gluth des religiösen Fanatismus des neuen Ordens hat sie
	        
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