Full text: Charakterbilder deutschen Landes und Lebens für Schule und Haus (Theil 3)

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Italische, ich kann es noch gar nicht im Geiste ordnen! Ist es hier von dem 
alten Thurme gesehen nicht wie ein neapolitanischer Strand! — dieser weite 
bläuliche Wasserspiegel, dieses gelblichweiß im hellen Sonnenlicht leuchtende 
Ufer, diese breiten, mächtigen Ruinen zunächst am Rhein, manchen alt- 
römischen Ueberresten von Thürmen nicht ungleich, diese hochansteigenden 
duftigen Berge, zwischen denen der Rhein verschwindet, so daß er um so 
mehr ein seemäßiges Ansehen gewinnt, diese hohen und breiten geschnä- 
belten Schiffe mit Masten und Takelwerk, welche an die Kauffahrer des 
Meeres erinnern, und zwischen ihnen die mächtigen Dampfer hindurch- 
brausend, ihren schwarzen Rauch in die helle, blaue Luft wirbelnd: das 
giebt ein großartig-heiteres, schönes Lebensbild. 
Mir gerade gegenüber liegt Bingen am Einfluß der Nahe, weiter 
nach links sehe ich die Rochuskapelle auf ihrer weinumgrünten Höhe — 
Alles winkt mir gleich alten Bekannten, obwohl ich's zum ersten Male 
'sehe; ich fühle, es sind deutsche Bilder, die hier dem entzückten Auge sich 
öffnen. 
Ich steige in eine Barke, zwei tüchtige Knaben rudern, während der 
Vater das Steuer führt, und so schwimme ich die prächtigen Fluthenim 
heißen Sonnenschein zwischen den bläulichen Höhen hinter Bingen und den 
Weinbergen des hohen Niederwaldes hinab. Wie schön streckt sich nun, 
wenn man zurück blickt, Rüdesheim mit seinen Thürmen und den massigen, 
fast felsartigen Ruinen der auf den Trümmern eines altrömischen Castells 
erbauten Burg am Rheine und der Bremserburg längs des Ufers dahin! 
Wie grandios tauchen die Ruinen des Ehrenfels unterhalb der Höhe des 
Niederwaldes aus den Weinbergen hervor, welche hier alle Berglehnen 
bedecken! — Es war zu reizend; ich ließ an einem aus dem Strom her- 
vorragenden Felsen anfahren, um zu zeichnen. 
Da saß ich nun auf dem schilfumwachsenen Felsen inmitten der 
Wogen dieses langersehnten Stroms, dicht vor mir der Kahn mit dem 
Fischerknaben und dem alten Schiffer, und von allen Seiten die sonnigen 
Höhen auf mich herabschauend! Ich wüßte seit Italien nicht, wann ich 
dieses Gefühl echten Genügens in freier Natur gehabt hätte. — Mit einem 
Male rauschte ein holzbeladenes Schiff, von Pferden gezogen, den Rhein 
herauf, das Schleppseil, am Wasser hinstreifend, trieb mich, auf kurze Zeit 
nach dem Ufer zu fahren, und wieder war es nun schön, wie das in Tau- 
werk und Masten ganz seeschiff-ähnliche Fahrzeug mit seinem unter dem 
Bugsprit aufgehangenen Anker die Wellen durchschnitt, während gegenüber 
die Kirche von Bingen, die Brücke über die zum Rhein fließende Nahe 
und die Uferhöhen der letztern abermals zu einem vollkommenen Bilde sich 
zusammenordneten! 
Ich fuhr weiter; die Wellen über dem sonst übel berüchtigten Vinger- 
loch (eine Brandung über einem den Rhein hier durchziehenden Felsenriff, 
von dem aber die gefährlichste Stelle weggesprengt ist) wallten in un- 
ruhigster Bewegung, eine Gewitterwolke zog die Gegend beschattend herauf,
	        
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