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100 Werkstätten mit 250 Schmiede- und Härtefeuern betrieben und be-
schäftigt allein an 800 Feilenhauer. Sägen von allen Arten und Größen
werden in 110 Werkstätten von 600 Arbeitern, und Beitel und Hobel-
eisen in 83 Schmiedereien von 350 Arbeitern fabricirt. Außerdem sind
zahlreiche Ortschaften in den angrenzenden Gemeinden für die Remscheider
Fabrikation beschäftigt. Das Material für die Fabrikation, welches aber
noch vielfach als Halbfabrikat von auswärts bezogen wird, liefern 5 Guß-
stahlschmelzereien, 3 Cementstahl-Fabriken und an 200 Hammerwerke, theils
aus Puddel -, theils aus dem vortrefflichen Siegener Rohstahl. In zahl-
reichen Schleif- und Polirmühlen, durch Wasser- oder Dampfkraft getrie-.
ben, wird die letzte Hand an die Werkzeuge gelegt und erhalten nach Bedarf
die feinste Politur. Außer einer Anzahl calorischer Maschinen beschäf-
tigt die Industrie gegenwärtig über 90 Maschinen mit Dampfbetrieb von
1000—1200 Pferdekräften.
Man nimmt an, daß durch diese Industrie und was mit ihr zu-
sammenhängt an 30,000 Menschen ihre Existenz finden und schätzt den
Productionswerth der Waaren auf 5—6 Mill. Thaler. Mit der Erfin-
dung des Dampfhammers und der Kaliberwalze ist die Werkzeug-Schmie-
derei in den letzten Decennien in ein neues Stadium getreten und die
Handarbeit in den Werkstätten so vermindert, daß Hammer, Feile und
Drehbank nun weit leichtere Arbeit haben. Blicken wir einmal in eine
Werkstätte, wo Feuer und Hammer die Hauptrolle spielen. Es ist eine
moderne Werkstatt Vulcans, in die wir uns versetzt sehen. Den schwe-
ren Dampfhammer, an der senkrechten Kurbelstange eines Dampfcylinders
auf- und abgehend, sehen wir in verschiedenen Größen und Abstufungen in
Wirksamkeit. Mittelst der Wilsonschen Steuerung hat der Schmied den
Hammer vollkommen in seiner Gewalt; es bedarf kaum einer Bewegung
seines Kopfes und der Mann an der Steuerung läßt ihn, bald langsam
und bedächtig, bald mit hohem Hub und voller Schwere arbeiten, jeden
Augenblick die Bewegung unterbrechen oder beginnen. Hier werden die
schweren Stahlkloben zu bald größern, bald kleinern Stangen verarbeitet,
um dann unter der Walze oder den leichtern doppeltwirkenden Vertical-
hämmern weiter für die Schmiederei raffinirt, d. h. von Abbrand oder
Oxydul befreit und vorbereitet zu werden. Besuchen wir auch das Walz-
werk nebenan. Von der Gewalt des Dampfes getrieben, finden wir eine
Reihe Doppelwalzen in rasender Schnelligkeit sich um ihre Axen bewegen.
An der Oberfläche derselben Hemerken wir Vertiefungen mancher Art. Der
Zweck wird uns bald klar. Glühende Stangen, von den Walzen erfaßt,
laufen durch die Versenkungen hin und her unter gewaltigem Druck, bis
sie die Gestalt angenommen, wie sie der Schmied bedarf, sei es mit ob-
longem, oder quadratischem, dreieckigem oder halbrundem Durchschnitt.
Ein kleiner Hammer, der bald langsamer, bald mit rasender Schnelligkeit
bis zu 400 Schlägen in. der Minute arbeitet, liefert runde Stangen,
in einer Vollkommenheit, daß sie kaum noch der Drehbank und des Sup-
Grube. Geogr. Charakterbilder. III. 10. Aufl. 21